Was wirklich neu ist an Rising Tide? Schwimmende Städte, ein längst fälliges System für Kriegsbeute, ein recht gut versteckter Schwarzmarkt und eine auf links gedrehte Diplomatie. Das ist doch weitaus mehr als nichts, oder? Wo andere Publisher die rechte Hand für Civ: Beyond Earth 2 ganz weit aufgehalten hätten, gingen Firaxis und 2k ihren gewohnten Weg und erweitern Beyond Earth mit Rising Tide in bester Civ 5-Tradition. Was bedeutet: Mehr spielerische Tiefe als erzwungene Pseudo-Innovationen. Wenn man bei dieser begrüßenswerten Strategie unbedingt doch noch irgendwas zu motzen finden mag, dann wäre es höchstens die „Warum nicht gleich so-Frage?“. Meine Wenigkeit suchtet sich jedenfalls weitaus mehr durch Rising Tide als Beyond Earth (was mir aber auch gut gefiel, so ist es ja nicht) und endlich mal wieder ist der „Komm, eine Runde geht noch-Drang“ größer als der mächtigste Druck auf die Blase (na ja, gut, keine Sorge; bevor es wirklich zu spät ist, bewege ich mich doch noch missmutig in Richtung Pott.).

Wer nun glauben mag, dass mit Rising Tide die Civilization-Gameplay-Fesseln gesprengt wurden, dürfte enttäuscht (oder erleichtert, hängt von der Perspektive ab) sein. Civ bleibt Civ. Da können noch so viele schwimmende Städte durch die Meere bewegt und Deals auf dem Schwarzmarkt gemacht werden. Letztlich siege ich mit der immergleichen Civ-Strategie, die dem Schwierigkeitsgrad entsprechend nur ein wenig angepasst werden muss. Trotzdem mag ich Rising Tide sehr und das aus zwei Gründen: Es macht Beyond Earth zu einem vergleichsweise verspielten Civ und bietet meiner Meinung nach die besten ersten 100 Runden in einem Civilization-Spiel. Und als Bonus gibt es übrigens in Rising Tide wieder wundervoll-schlechte Ladebildschirm-Poesie.

Civ Rising Tide

Was dem normalen Civ die Barbaren, sind Rising Tide/Beyond Earth die Alien-Viecher. Wobei die Dynamik in der Beziehung zu den Urzeitkreaturen hochinteressant ist. Zu Beginn, in den ersten Runden, stören sich die Aliens nicht allzu sehr an uns Invasoren (ich hole die KI-Völker gerade mal mit an Bord). Mit der zweiten Stadt – zumindest im Gemini-Schwierigkeitsgrad – werden sie hellhörig und beginnen offensiver zu werden. Ihre Status-Farbe wechselt recht schnell vom freundlichen Grün ins gefährlichere Orange und spätestens nachdem das erste Alien-Nest zerstört wurde, sehen die Tierchen Rot. Was die Lage verzwickt machen kann. Oberhalb von Gemini agiert auch die KI gewohnt superoffensiv, was dazu führt, dass die Spielwelt in unbekanntem Civ-Maße erfreulich gefährlich wird. Das Gefühl, in jeder Runde könnte der ganz böse Schuß nach hinten oder vielleicht doch nur vor den Bug gehen, ist in Rising Tide sehr intensiv und führte bei mir dazu, dass ich direkt tief drin war im Spiel.

Übersteht das eigene Volk die Frühzeit, biegt Rising Tide langsam in gewohnte Civilization-Bahnen ein, zumindest was das grundsätzliche Gameplay betrifft. Da bleibt dann die Zeit und Ruhe, um sich all die kleinen und größeren neuen Spielelemente anzuschauen. Die schwimmenden Städte ragen hier sicher heraus; sie sind vor allem später, wenn es gegen die KI-Völker um´s Ganze geht, strategisch betracht ein Segen. Wobei sich das große Finale recht gut hinauszögern lässt, was dann leider Rising Tide hinten heraus ein wenig die Spannung nimmt. Das Diplomatie-System hat als Quasi-Währung den „Respekt“ und wer eine ordentliche Armee, mächtig Schotter sowie gute Werte bei Wissenschaft und Kultur vorweist, darf recht ungestört zum letzten Schlag ausholen.

Civ Rising Tide Spielwelt

Den Schwarzmarkt ignorierte ich bislang. Sich mit „Respekt“ Titan oder Öl zu kaufen, entspricht nicht meinem Civ-Ehrgefühl. Das baue ich schon selber ab. Die sogenannte „Kriegsbeute“ dagegen macht Sinn, sie dient dazu kriegerische Auseinandersetzungen differenzierter (vor allem nach dem letzten Patch) beenden zu können. Hier geht Rising Tide eigentlich nur den Schritt wieder nach vorne, denn es zum Launch von Beyond Earth zurück setzte. Neu ist nur die Möglichkeit, die Beute frei nach Rohstoffen, Geld, Städten und Respekt aufzuteilen. Anfangs eine schöne Sache, aber später wird die Kriegsbeute immer egaler, denn so schrecklich viel gibt es in der Regel von den Kriegsverlierern nicht zu holen – vor allem, wenn auf kleineren Maps gespielt wird.

Und so hadere ich doch ein wenig mit Rising Tide, einerseits, weil sich am Civ-Code nichts änderte. Erst so lange wie möglich militärisch-defensiv auf die Entwicklung der Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur setzen um dann beim ersten Angriff hart zurück zu schlagen. Das funktionierte schon annodazumal beim ersten Civilization und macht es auch weiterhin bei Rising Tide. Andererseits: Als relevante Variation des Civ-Grundthema macht Rising Tide dafür eine verdammt gute Figur. Als Civ-Liebhaber ist eine Reise zu diesem fernen und fremden, aber gameplay-technisch doch bekannten Planeten sicherlich eine Reise wert. Auch wenn wenig ganz neu, dafür aber manches anders ist.