Die Citadel. Auch in Mass Effect 3 ist es der zentrale Dreh- und Angelpunkt. Es ist das Regierungsviertel der Allianz, hier werden Bündnisse und große Pläne geschmiedet, hier zerbrechen Freundschaften und platzen die großen Träume. Das alles ordentlich umzusetzen, ist sicherlich kein Kinderspiel – denn die Citadel muss das Wichtig-offizielle ausstrahlen, darf dabei aber den Gamer nicht zu Tode langweilen. Denn Mass Effect 3 ist halt auch ein Actionspiel. Also: Wie schafft es Bioware, dass es an einem Ort, an dem vor allem geredet wird, nie langweilig wird?
Erst einmal sind die Dialoge spannend – sofern man sich darauf einlässt. Ja, es wird wirklich viel gequatscht. Wenn man es negativ sehen möchte. Man muss nicht den familiären Hintergrund des Sicherheitschefs der Botschaft kennen, man kann aber. Das Spiel gewinnt automatisch an Tiefe, wenn die Charaktere an Persönlichkeit gewinnen. Sind die Nebendarsteller sogar Menschen mit Vergangenheit, Problemen und Karriereaufstiegen, die sie eigentlich nie wollten, entwickelt sich auch das ganze Spiel zu einem Game aus Fleisch und Blut. Die Bedingung: Die Dialoge müssen spannend sein, dürfen nicht in uferlose ausarten – und man hat trotzdem Kontrolle über die Gespräche. Durch das Kreismenü kann man jederzeit ein Gespräch beenden, sieht spätestens auf den zweiten Blick alle Gesprächsoptionen und kann (auf der PlayStation 3) mit dem Viereck auch mal eine Antwort abkürzen, wenn es etwas langatmig werden sollte.
Auch die Handlungsfreiheit, die Mass Effect 3 in Hinsicht der Zusammenstellung der Gruppe bzw. der Bordmitglieder angeht, lässt sich auf der Citadel finden. Und zwar in Person der langjährigen Weggefährtin Dr. Chakwas. Sie treffen wir nur, wenn wir uns auf der Citadel nach dem Gesundheitszustand eines Gruppenmitgliedes erkundigen (war wir aber auch nicht müssen, sondern können). Wenn wir wollen, nehmen wir sie mit an Bord. Wir können auch nur mit ihr reden, alles Gute wünschen und ohne sie weiterziehen. Wie wir wollen, das gilt auch für die TV-Reporterin. Dr. Chakwas ist kein aktives Gruppenmitglied, das um sich schießt – aber die Dialoge mit ihr in der Krankenstation möchte ich auch nicht missen. Hier zeigt sich – beispielhaft für die gesamte Location Citadel – dass Mass Effect umso atmosphärischer und dichter wird, desto sorgfältiger und geduldiger wir es in den Passagen spielen, in denen nicht gekämpft wird. Das gilt für die Citadel genauso wie für die Normandy, das Raumschiff von Commander Shepard.
Es ist aber leider nicht alles Gold, was auf der Citadel glänzt – oder eben nicht glänzt. Wie im ersten Teil des Erfahrungsberichts schon angedeutet, ist die Citadel absolut stimmig und meiner Meinung nach glänzend optisch umgesetzt worden. In den Innenräumen geht es gemächlicher zu und das Leben ist eher ruhig. Es ist ein Ort der Diplomatie und keine Partylocation. Das spürt man, hier wurde die Atmosphäre glänzend umgesetzt. Die Außenwelt (siehe Screenshot) ist überragend gestaltet, einfach nur schön und dabei so repräsentativ, wie ein Regierungsviertel der Zukunft aussehen könnte. Allerdings: Ich vermisse immer noch einen Rat – dem Ort, an dem die Entscheidungen getroffen werden – der auch diesen Namen verdient. Es läuft leider weiter nach dem alten Strickmuster: Shepard kommt in den sogenannten Rat, regt sich auf, wird von drei Leuten abgekanzelt und verschwindet mit der Faust in der Hosentasche. Mit bombastischen Darstellung einer Entscheidungsfindung hat das gar nichts zu tun, sondern eher mit einem inkompetenten Küchenkabinett. Das geht besser und glaubwürdiger, hier verstehe ich nicht, warum Bioware gerade an diesem gar nicht mal so unwichtigen Knotenpunkt des Spiels die Zügel so schleifen lässt.
Was kann man denn sonst so machen auf der Citadel? Laufen. Wieder ein Kritikpunkt, allerdings wird er kleiner im Vergleich zu Teil 1 und 2. Dort waren immer und immer wieder die riesigen Gänge zu durchlaufen, um von Punkt A zu Punkt B zu kommen. Die Citadel in Mass Effect 3 wirkt kompakter und in dieser Hinsicht erträglicher. Zudem kann Shepard Nachschub, neue Waffen und Upgrades kaufen. Und sich ans Panoramafenster stellen und staunen. Und hier setzen wir den Anfang, um später in den Kämpfen den Reapern einen überzubraten. Darum geht es im nächsten Teil des Erfahrungsberichts.
…to be continued…
Hier geht es zu Teil 4 des Erfahrungsberichts
Hier geht es zu Teil 3 des Erfahrungsberichts
Hier geht es zu Teil 1 des Erfahrungsberichts