Mit einer gewissen Sorge beobachte ich einen Trend aus der Indie-Ecke, für den, leider Gottes, Among the Sleep ein treffendes Beispiel ist. Auffallend gute und intelligente Ideen werden von einem erschreckend banalen Gameplay begleitet. Im Grunde genommen entspricht das dem gegenteiligen AAA-Zeitgeist, bei dem geschliffenes Gameplay mit ganz luftigen Konzepten einher gehen. Besonders bei Among the Sleep balle ich die Faust in der Tasche, weil die Basisidee so wunderbar ist. Aus der Perspektive eines Säuglings erleben wir mit Hilfe unseres Teddys (leicht traumatische) Abenteuer, um es mal spoilerfrei zu formulieren. Die Crux daran: Krillbite Studio nutzt das Potenzial einfach nicht. Und das ist reichlich vorhanden, eigentlich. Zwar krabbeln, aber nicht sprechen zu können, reicht einfach nicht, wenn sich das Spiel ansonsten wie frei von der Stange spielen lässt.

Dabei war die Alpha-Version, die Among the Sleep zum Kickstarter-Liebling werden ließ, sehr vielversprechend und verheißungsvoll. Der Start im Kinderzimmer war (und ist) stimmig und vermittelte ein gewisses Gefühl der Machtlosigkeit, weil sich der Spieler seiner eingeschränkten Möglichkeiten und Kindlichkeit, um es pathetisch auszudrücke, recht brachial bewusst wird. Und latent gruselig waren die ersten zwanzig Minuten auch. Umso überraschter war ich, wie generisch sich das Spiel entwickelt, als das Kind versucht, wichtige Erinnerungen zu entschlüsseln, um die Mutter wiederzufinden. Das inszeniert Krillbite versucht-alptraumgleich, irgendwie, aber jedenfalls nicht konsequent. Wer sein Spiel (auch) als atmosphärisches Horrorspiel verkauft, sollte darauf achten, das es genau das ist. Slender-Imitation-Passagen gehören  jedenfalls nicht (mehr) dazu. Bei den Soundeffekten überzeugt Among the Sleep immerhin noch und eine kribbelige Stimmung erzeugen die Alptraum-Welten ebenso, aber letztlich läuft die Spannung zu oft einfach ins Leere. Und ist das Muster erst einmal erkannt, ist es vorbei mit dem gruseln.

Der Teddy als Freund und Helfer in Among the Sleep.

Among the Sleep sollte natürlich nie ein Baby-Simulator sein und an diesem falschen und überzogenen Anspruch messe ich es auch nicht. Aber: Es ist schon bemerkenswert, wie cool wir als Säugling durch diese, aus Kinderaugen betrachtet, Horrorwelten krabbeln. In Among the Sleep weinen Kinder offensichtlich nicht und verlieren nie die Kontrolle über ihre Gefühle und Aktionen. Himmelherrgott, was wären diese emotionalen Extremsituationen blendend als Gameplay-Feature gewesen! So wurschtelt man da als Kind rum, wobei das wurschteln weniger vom Krabbeln sondern vielmehr von der ruckeligen und unsauberen Steuerung herrührt.

Among the Sleep: Feste Gameplay-Rituale als Feature…

Im Grund genommen ist Among the Sleep ein klassisches „Gehe von A nach B, suche aber vorher den Schlüssel bei C“-Spiel. Same story in annähernd jedem Level. Aufgelockert wird die spielerische Ödnis durch Plattformer-Einlagen, wobei sie kaum diese Bezeichnung verdienen. Das liegt zum einen an dem lachhaften Schwierigkeitsgrad, zum anderen an ihrer Linearität. Man sieht schon, was zu tun ist. Nicht gut. Ein wenig Denken schadet nicht. Richtig übel nehme ich Among the Sleep aber ein fehlendes Gameplay-Element, das meiner Meinung nach zu wenigstens 100 Prozent zu einem Spiel gehört, das aus Kinderaugen gesteuert wird. Exploration. Wenn im Leben so viel neu ist, dann ist die ganze Welt eine einzige Entdeckungsreise und wenigstens ein bisschen was davon hätte Among the Sleep ins Gameplay und Konzept aufnehmen müssen. Schlauchlevel, bei denen man sich nur verirren kann, weil sie schlecht designt sind, gehören meiner bescheidenen Meinung nach nicht in die Exploration-Schublade, sondern in die Mülltonne.

Schöne Atmosphäre, latent gruselig. Schwierig zu bespielen.

Zum Glück gelten die harten Worte nicht dem ganzen Spiel, sondern „nur“ einigen wesentlichen Elementen. Die Idee bleibt gut und die Ambitionen groß. Schon alleine deswegen lohnt sich ein Blick auf Among the Sleep. Man sollte nur nicht viel davon erwarten. Am besten gar nichts oder nur sehr wenig. Die Atmosphäre stimmt, immerhin, das kann ich dem Spiel nicht absprechen, aber darüber hinaus ist es ein eindrucksvolles Beispiel für ein Projekt der ungenutzten Möglichkeiten und verpatzten Chancen.