Around every corner, Teil 4 der grandiosen Game-Serie The Walking Dead von Telltale Games, gibt schon vom Titel her die Richtung vor. Wir nähern uns langsam dem Finale und daher wäre es überraschend, wenn das Tempo nicht anziehen würde. Trotzdem bleibt The Walking Dead seinem Prinzip treu: Es gilt schwere Entscheidungen zu treffen, es gibt interessante Charaktere und Dialoge, eine intelligente Story und weiterhin die Einsicht, dass der Mensch dem Menschen ein größerer Feind als ein Zombie ist.

Nachdem der dritte Teil von The Walking Dead gegen Ende hin mehr und mehr zum traurigen Roadmovie wurde, erreichte nun die Gruppe ihr vorläufiges Ziel Savannah - und begibt sich auf die Suche nach einem Boot und nach Clementine´s Eltern. Zumindest ist das der große Storybogen. Es kommt anders und natürlich weitaus dramatischer als erwartet. Abseits der Kämpfe gegen Zombies und der ewigen Suche nach einer Basis, Nahrung und Medikamenten fällt mit einem Blick auf die Gruppe dieses Mal besonders auf, dass das Gefälle zwischen den Charakteren zwangsweise größer wurde. Von der ursprünglichen Crew sind nur noch Kenny, Clementine und Lee dabei. Sie sind die stärksten und ausgefeiltesten Charaktere, besonders das herzliche, liebevolle und innige Verhältnis von Lee und Clementine kann zu Tränen rühren. Kenny als gebrochenes Pulverfass verströmt mittlerweile eine spezielle Aura, die Christa, Omid, Ben, Vernon, Molly, Brie und Chuck einfach nicht erreichen können. Wir kennen sie erst seit kurzer Zeit und es bleibt auch nicht mehr viel davon, wenn The Walking Dead (oder nur die erste Staffel?) schon nach der nächsten Episode beendet wird. Diese Differenz spiegelt sich natürlich auch in den Dialogen wider: Kein Gespräch von Lee mit Christa oder Ben erreicht die emotionale Qualität und Tiefe von dem Zusammenspiel zwischen Lee, Clementine und Kenny. Einerseits ist es schade, andererseits auch dem ansonsten so fabelhaft umgesetzten Serien-Prinzip geschuldet.

Es ist ein Kommen und Gehen in The Walking Dead. Katjaa und Duck fehlen, an die neuen Charaktere - wie etwa Molly - muss man sich erst einmal gewöhnen.

Schon im letzten Teil spielten melancholische Momente eine größere Rolle als im ersten Teil von The Walking Dead, der uns in die Spielwelt einführte und das Prinzip der schweren moralischen Entscheidungen unter Zeitdruck näher brachte. Im zweiten Teil lernen wir eine Lektion, die im vierten Teil wieder verstärkt aufgegriffen wird und die auch im Comic wie in der TV-Serie im Vordergrund steht: Unser größter Feind sind wir selbst. Und diese unheilvolle Kombination aus traurigen Szenen und Geschehnissen sowie der Konfrontation mit dem Menschen macht den vierten Teil von The Walking Dead für mich - einen Hauch vor Teil 2 - zum bisherigen Highlight dieser Spieleperle.

Wenn der so schweigsame, aber trotzdem hochgradig mit Aggression geladene und bis in die Haarspitzen mit Trauer erfüllte Kenny auf dem Dachboden mit seinem Verlust aus dem letzten Teil abstrakt konfrontiert wird - und das Spiel anschließend gnadenlos vom Gaspedal geht und uns frontal vor Augen führt, wie weit sich die Welt von The Walking Dead der uns bekannten Welt entfernte, kann man aus meiner Sicht nur innehalten und applaudieren. Solche emotionalen Momente, auch wenn sie noch so schwer sind, erreichen nur die großen Dramen in der Literatur und im Kino. Man greift halt auch in einem Spiel nicht oft zum Spaten und begräbt einen Menschen. Und das erst recht nicht in dieser bedrückenden Langsamkeit. Interaktivität macht es manchmal schwerer als es ein Buch oder ein Film könnte.

Clementine.

Und so wird uns eindringlich demonstriert, wie man die größtmögliche Scheißwelt erzählerisch perfekt in einem Spiel umsetzt. Warum der Mensch der Feind ist, wird in Around every corner mehr als angedeutet: Dafür steht Crawford, die Perversion eines kalten neoliberalen und darwinistischen Gedankenguts, indem nur der Stärkere das Recht zu leben und das Mitgefühl keinen Platz mehr hat. Wo das hinführt, erfahren wir eindrucksvoll und müssen in der zweiten Hälfte des Spiel mit den unheilvollen Konsequenzen dieser „Philosophie“ im wahrsten Sinne des Wortes kämpfen.

Around every corner bietet uns zudem ein - auf stille Art und Weise - furioses Finale, das nicht ansatzweise mit den Quasi-Cliffhangern der letzten Teile von The Walking Dead vergleichbar ist. Irgendwie hängt jeder Freund der Serie nach Ende einer Episode einerseits völlig in den Seilen und kann es andererseits nicht abwarten, den nächsten Teil zu spielen. Nach diesem Teil von The Walking Dead verstärkten sich bei mir sogar beide Emotionen, allerdings mischt sich eine gewisse Traurigkeit in die große Erwartungshaltung. Nie rechnete ich mit einem klassischen Happy End - aber das die Geschichte solch eine tragische Wendung kurz vor dem Abspann von Around every corner nimmt, hätte ich nicht erwartet. Vielleicht fügt sich in der dunklen Welt von The Walking Dead ja doch noch etwas zum Guten.

Hier geht es zur Review der ersten Episode von The Walking Dead

Hier geht es zur Review der zweiten Episode von The Walking Dead

Hier geht es zur Review der dritten Episode von The Walking Dead

Hier geht es zur Review der fünften Episode von The Walking Dead