Ganz ehrlich: Die Story von AC 3: Liberation habe ich nicht kapiert. Mal wieder dümpelt eine wirre Background-Geschichte aus dem Assassin´s Creed-Universum im Hintergrund eines an sich gar nicht mal schlecht inszenierten Spiels zäh vor sich hin. Seit dem in jeder Beziehung fragwürdigen Finale von Assassin´s Creed 2, als die vormals noch spannende Templer-Verschwörung durch krude Außerirdischen-Schöpfer-Halluzinationen ins Lächerliche gezogen wurde, kann ich zumindest den Autoren aus dem Hause Ubisoft nicht mehr wirklich folgen. Immerhin: Die vordergründige Geschichte in Assassin´s Creed 3: Liberation um Aveline und die Befreiung von Sklaven, die bis nach Mexiko verschleppt wurden, ist spannend erzählt und glänzt sogar mit einem pädagogisch wertvollen Ende, an dem die Protagonistin tatsächlich etwas gelernt hat. Aber: Warum wer genau mit wem gegen was verschwört, erschloss sich mir nicht. Abgesehen von dem albernen Fakt, dass das komplette Spiel eigentlich nur im Animus stattfindet. Lassen wir das mit dem Background einfach am Besten.

Kleine Erinnerung: AC 3: Liberation wurde exklusiv für die PlayStation Vita entwickelt und hat - abgesehen von einer unbeholfen angeflickten Mission mit Connor - eigentlich wenig mit dem „großen“ (und doch so kleinen) Assassin´s Creed 3 zu tun. Es spielt halt in der gleichen Zeit. Ansonsten gibt es wenig Berührungspunkte. Natürlich ist Assassin´s Creed 3: Liberation nicht so umfangreich wie der große Bruder - aber das ist eher eine gute Meldung, als das man sich über eine abgespeckte Mogelpackung aufregen müsste. AC 3: Liberation ist Open World, es darf geklettert, geschlichen und gemetzelt werden mit der serientypisch hakeligen Steuerung. Es gibt nur nicht ganz soviel Kram drumherum, das Missionsdesign ist zielführender und nicht so verfranst wie in Assassin´s Creed 3. Glücklicherweise kommt es früh in die Pötte und wird stringent weitererzählt. Mit Blick auf die Missionen und auch auf das Setting - von Chichen Itza bis zur Sumpflandschaft - ist AC 3: Liberation sogar das bessere Assassin´s Creed 3.

Aveline im Sklavenkostüm auf dem Dach. Man sieht: Optisch leistet  sich AC 3: Liberation keine Schnitzer.

Dabei ist es eigentlich kein Assassinen-Spiel. Zwar teilt Aveline ordentlich aus, aber in strengem genremäßigen Sinne halten sich die präzise zu planenden Attentate für die gute Sache doch arg in Grenzen. Wir suchen irgendwas für irgendwen und manchmal haben wir dann am Ende der Mission keine andere Wahl, als den Schurken an Ort und Stelle zu meucheln. Bei aller berechtigter Kritik am Gameplay des ersten Teils von Assassin´s Creed war es immerhin ein Assassinen-Game durch und durch. Von diesem spielerischen Kern entfernte sich das Franchise immer mehr - mit AC 3: Liberation als Höhepunkt. Man darf Schmuggler beklauen und natürlich auch wieder sinnlos über die Maps verteilte Schatzkisten finden - aber das ist alles nur überflüssige Zeitschinderei, die leider ein wenig von den Hauptmissionen ablenkt.

Diese spielt man in Assassin´s Creed 3: Liberation mit Aveline entweder als Dame, Assassine oder Sklavin. Jede dieser drei Rollen hat spezifische Fähigkeiten und Hindernisse. Als Dame kann Aveline beispielsweise nicht klettern und als Assassine besonders gut töten. Nur: Leider hat der Spieler kaum einen Einfluss darauf, wann Aveline in welcher Rolle die Mission erledigt. Trotzdem ist es eine neue und grundsätzlich sehr gute und auflockernde Idee. Auch wenn sie nicht konsequent zu Ende gedacht wurde. Denn wer braucht ein Textilladen, wenn sich Aveline eh nicht so anzieht, wie man will? Und wo wir schon bei den Läden sind: Die Waffengeschäfte kann man sich auch sparen, das Spiel kann bestens mit den Standardwaffen beendet werden. Das schont das Portemonnaie und obendrein kann man sich direkt auch noch den seltsamen Handelsmodus aus dem Hauptquartier schenken.

Super, Chichen Itza! Bei Civilization V habe ich es selbst noch gebaut und in AC 3: Liberation dann mit gespielt!

Also alles Mist außer den Hauptmissionen? Jein mit Tendenz zum Nein. Die Suchen-und Finden-Nebenquests habe ich mir schön gespielt, beispielsweise in dem ich mich in den Sumpflandschaften nur auf Bäumen kletternd und hüpfend fortbewegte - ohne den Boden dabei zu berühren. Besonders in dieser Map ist die Sandbox wirklich ein schöner Spielplatz. Aber natürlich nicht abendfüllend. Das sind dafür die Hauptmissionen (wenn man mehrere hintereinander am Stück beendet), die durch Gespräche mit verschiedenen Charakteren fein eingeleitet und konsequent durchgespielt werden können. Das passt ja auch zur Vita: Eine Mission hat man in rund 15-20 Minuten durch und auch wenn man sich blöde anstellt, geht aufgrund der fairen Speicherpunkte wenig Zeit verloren. Assassin´s Creed 3: Liberation schafft in dieser Disziplin den schwierigen Spagat zwischen einem AAA-Core-Game und Handheldtauglichkeit ohne große Abstriche. Casual ist da gar nichts.

Aber ist AC 3: Liberation etwas Besonderes? Auf der gebeutelten PlayStation Vita ja mit Abstrichen, global betrachtet nicht. Es gibt noch andere Spiele mit weiblichen Hauptcharakteren, darauf braucht man gar nicht weiter herumreiten. Im Jahr 2012 sollte es ganz normal sein eine weibliche Protagonistin zu steuern. Auch wenn sich AC 3: Liberation zuviel überflüssiges Gedöns leistet - die albernen, angeklebten Touchpad-Geschichten lasse ich unkommentiert außen vor - ist es ein hervorragendes Action-Open World-Game, aber ohne spürbare Wirkung auf das Genre. Und leider auch eine (weitere) verpasste Chance für die Vita: Denn als eine der ganz seltenen exklusiven Großproduktionen bietet es keinerlei Innovationen. Es sieht für Vita-Verhältnisse fantastisch aus, es lässt sich wunderbar spielen, fügt sich auch gut ins wirre Assassin´s Creed-Universum ein…doch würde etwas in der Serie fehlen, wenn AC 3: Liberation nie erschienen wäre?

Hier geht es zum ersten Teil der Review von Assassin´s Creed 3: Liberation