Schön ist es, durch ein Spiel wie Among the Sleep die Welt mit neuen Augen zu sehen. Immersion ist ein zentraler Bestandteil dieses außergewöhnlichen Experiments des schwedischen Entwicklers Krillbite Studio, das vielleicht dem einen oder anderen durch The Plan geläufig ist. Man stelle sich vor zwei Jahre alt zu sein, lauscht noch dem zärtlich gesummten Gute-Nacht-Lied der Mutter und erwacht mitten in der Nacht, weil die Krippe umfiel. Der einzige Begleiter auf der Suche nach der Mutter ist ein kleiner Teddy, ansonsten ist man alleine im Haus bzw. auf dieser Welt, denn so groß fühlt sich das in Among the Sleep an. Auch wenn bislang nur die Alpha spielbar ist, die Krillbite Studio anlässlich ihrer auslaufenden und schon jetzt erfolgreichen Kickstarter-Kampagne veröffentlichte, ist Among the Sleep eine der atmosphärisch dichtesten und eindringlichsten Spielerfahrungen der letzten Zeit.

Among the Sleep aus der Ego-Perspektive zu erleben macht Sinn, denn es steigert massiv die Identifikation mit dem zweijährigen Kind, schon alleine weil sich dessen Wahrnehmung zwangsläufig aufgrund mangelnder Reife von der eines Erwachsenen unterscheidet. Die Optik wird durch einen leichten Fischaugen-Effekt verzerrt und Geräusche erreichen uns unmittelbarer als gewohnt. Wer bei Among the Sleep nicht bei einem der Unwetter-Blitze zusammenzuckt, gehört sicherlich zu den ganz Harten. Auch die Bewegungsabläufe wurden stimmig umgesetzt. Krabbeln ist schneller und geschmeidiger, aber auch nur zur hindernislosen Fortbewegung zu gebrauchen. Ansonsten bewegt man sich mit dem typischen Watschelgang eines 2jährigen. Möglich ist mit Gegenständen zu interagieren und zu klettern, der Teddy spendet Licht, aber das ist es schon an Gameplay-Techniken, der Rest ist vor allem Atmosphäre und Exploration.

Und im Dunklen kommt die Angst. Ganz alleine auf dem  Flur krabbeln wir in Among the Sleep auf der Suche nach der Mami.

Da Zweijährige ihr Leben nicht nach einem komplex ausgeklügelten Plan ausrichten, starten wir auch in Among the Sleep ohne  Einleitung und Anleitung. Wie es sich für ein echtes Exploration-Game gehört, müssen wir die Spielwelt erkunden und lernen dabei in unserem eigenen Tempo mehr über das Spiel und seine Möglichkeiten. Hindernisse müssen überbrückt und Wege gefunden werden - wobei Krillbite Studio dabei nie die Erfahrungswelt eines Kindes außer Acht lässt. Letztlich führt dieser Ansatz zu einer gewissen Linearität, die aber absolut stimmig ist, da auch Kinder für ein konkretes Problem schon allein aufgrund fehlender Kraft und Größe nur ein Minimum an Möglichkeiten zur Verfügung haben.

Among the Sleep: Sei ein Kind und fürchte dich

Verblüffend sind die Übertragungseffekte von Among the Sleep. Das Haus selbst ist nicht größer als zum Beispiel das zu erkundende Heim im ersten Abschnitt von Heavy Rain, fühlt sich aber aus den Augen eines Kindes riesig an. Auch der erst einmal nicht zu erreichende Türknauf wirkt schnell als ein weitaus mächtigeres Problem als in anderen Spielen, bei denen die Tür einfach verschlossen ist. Und so ziehen die aus Erwachsenen-Perspektive völlig banalen Probleme immer weiter in das Spiel hinein, was bei mir persönlich zu einer extrem geschärften Wahrnehmung führte. Schon objektiv betrachtet leistet Krillbite Studio mit seinem gezielten und gekonnten Einsatz von Sound- und Schockeffekten ganze Arbeit, jedoch verstärkt sich der Effekt mehr und mehr im Laufe des Spiels. Hier ein Donner, da knirscht eine Tür, von weiter hinten hört man plötzlich eine Stimme und ob jemand im Elternschlafzimmer nun unter der Decke wirklich geatmet hat oder nicht, weiß man irgendwann auch nicht mehr so genau.

Im Verlauf der Alpha gewinnt die Irrationalität an Gewicht. Ob das Among the Sleep gut tut, muss sich noch herausstellen.

Wie es sich für wahren Kinder-Grusel gehört, geht es natürlich noch in den dunklen Keller. Vermutet hatte ich ein - vielleicht nur eingebildetes - Monster, aber es kam anders mit einem gewissen Bruch in Among the Sleep, von dem ich noch nicht genau weiß, wie er mir gefällt, denn kurz danach ist die Alpha schon vorbei. Die Erlebniswelt Elternhaus wird verlassen und dafür eine Art Traumwelt beschritten, die aber nur sehr kurz anspielbar ist. Zumindest was die Immersion betrifft, kühlte sich dieser Effekt doch spürbar ab, da eine vertraute und kindgerecht verfremdete Welt gegen eine Phantasie eingetauscht wurde, die nicht annähernd so greifbar zu sein scheint.

Natürlich ist es müßig weiter über den Fortgang von Among the Sleep zu spekulieren. Die Alpha dürfte für Elternteile, die kürzlich mit den Ängsten ihrer Kinder in der Nacht konfrontiert wurden, eine sehr interessante Erfahrung sein. Auch die Mami oder der Papi, die zuweilen die Motorik ihres eigenen Kindes kritisch in der Krabbelgruppe betrachten, dürfen unter Beweis stellen, ob sie sich cleverer als ihr Nachwuchs anstellen! Letztlich ist Among the Sleep natürlich für jeden Spieler mit offenem Geist und Experimentierlust ein großes und vor allem neues und kreatives Erlebnis, das ich nur wärmstens empfehlen kann.

Der Download der Alpha von Among the Sleep ist hier auf Kickstarter für Windows, Mac und Linux möglich, es muss nur ein wenig nach unten gescrollt werden.

Be Sociable, Share!
  • more Among the Sleep: Alpha
Blogverzeichnis - Blog Verzeichnis bloggerei.de

5 Antworten : “Among the Sleep: Alpha”

  1. Sehr sehr coole Idee. Auch die Sache mit der zunehmenden Surrealität gefällt mir gut. Werd ich mir nächstes Wochenende mal anschauen. Bin derzeit leider etwas verplant :(

    • Kann ich dir auch nur empfehlen und ein Durchgang in der Alpha dauert ja auch nicht lange, wenn du dir Zeit lässt, bist du in 45 Minuten durch, gibst du Gas dann auch in einer Viertelstunde.

      • Bin nicht so der Typ, der durchrusht. Wenn sich Entwickler schon soviel Mühe beim Setting geben, mag ich das auch genießen ^^

        Haben aber das ganze Wochenende besuch. Außerdem wollte ich Montags noch ein Youtube Video erstellen.

        Finde es aber sehr löblich, dass sie die Alpha jedem zur Verfügung stellen.

        • Was erstellst du denn für youtube-videos? Wusste ich ja gar nicht, kann mich nur erinnern, dass du vor einigen Monaten mal ein Video auf deinem Blog hattest.

          Ja, finde ich auch gut mit der öffentlichen Alpha - allerdings könnten Kickstarter-Backer, die richtig viel zahlten für die Alpha/Beta-Geschichte, ein wenig verärgert sein. Ich habe den Early Bird-Tarif gewählt und mich gefreut. Und sollten aufgrund der Alpha noch ein paar zusätzliche Dollar zusammengekommen sein, gönne ich es den Entwicklern von Herzen.

          • Meist nur kleinere Reviews von allen möglichen Spielen. Liegt dann meinen Reviews auf dem Blog bei.
            Aber in diesem Fall nehmen ich ein neues Tutorial-Video für EVE Online auf.

            Wow. Für die Backer ist das schon ärgerlich.

Einen Kommentar schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Du kannst folgende HTML-Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <strike> <strong>