Eigentlich ist kaum noch etwas aus dem Thema „Kapitalistische Wertschöpfungskette vs. Melken der armen Kunden durch kostenpflichtige DLCs“ herauszuholen. Es wurde ausreichend geschimpft, gemeckert und dennoch fleißig heruntergeladen. Dann kam der Season Pass. Wieder ganz fies, aber manchmal hervorragend umgesetzt, so wie bei Saints Row 4 etwa. Apropos Saints Row: Mit der THQ-Pleite nach Vollendung von Saints Row: The Third etablierte sich mit Teil 4 eine neue Form des DLC, der nicht nur ganz old fashioned in der Box gekauft werden konnte, sondern wieder sehr viel mit der Wertschöpfungskette zu tun hat. Der optimierte DLC als Vollpreistitel. Dieser seltsame (Nicht-)DLC zeichnet sich durch poliertes Gameplay und manchmal sogar gewagte Story-Experimente bei allgemeiner Ideenlosigkeit aus. Das funktioniert natürlich nur, wenn das Basisprodukt zeitlos gut ist. Und genau das gilt für Saints Row ebenso wie für Borderlands. Ganz lange Rede mit trotzdem kurzen Sinn: Borderlands: The Pre-Sequel ist so ein verkappter Vollpreis-DLC. Sehr ordentlich zu spielen, narrativ betrachtet vielleicht sogar der stärkste Teil der Serie und hier und da mit einigen guten Ideen gespickt. Aber trotzdem der gleiche (wunderbare) Scheiß wie Borderlands und Borderlands 2. Was mögen wir denn nun davon halten? Bei Gamestar zum Beispiel betet man das FIFA-Mantra runter, dass da lautet: Irgendwie zwar total supi, aber beim nächsten Mal muss so richtig was passieren, sonst kriegt ihr nur 79,45 % in der Spielspaß-Wertung. Ich dagegen zeige konsequent den Mittelfinger der linken (!) Hand in Richtung 2k, weil ich mich massiv ausgebeutet fühle, umarme aber mit rechts die lieben Entwickler, weil Borderlands: The Pre-Sequel bei aller Motzerei doch prächtig gelungen ist.

Zurück zur Wertschöpfungskette und einem erstaunlichen Fakt: Borderlands: The Pre-Sequel wurde dieses Mal nicht von Gearbox entwickelt, sondern von 2k Australia im Auftrag des Mutterkonzerns. Wüsste man es nicht, wäre es nicht zu bemerken. Der infantile Humor bleibt identisch, die überraschend erwachsenen Ironie-Spitzen ebenso, es spielt sich wie die Gearbox-Borderlands-Teile und ist einfach zu 100 Prozent ein Gearbox-Borderlands. Theoretisch, aber halt nicht praktisch. Es müsste jedoch mit dem Teufel zugehen, wenn 2k nicht eine ganze Menge Kohle dadurch einsparte, dass nicht der Begründer der Serie diesen Borderlands 2.5-Teil entwickelte, sondern ein hauseigenes Studio. Da stehen wohl weniger idealistische Ambitionen, sondern eher verringerte Ausgaben im Fokus, nicht wahr, 2k? Das hat natürlich Geschmäckle und hinterlässt ein unangenehm pelziges Gefühl auf der Zunge. Und so muss man sich wirklich nicht wundern, dass unter dem Strich eine Art halbgarer Vollpreis-DLC zum Leben erweckt wird. Der Vollständigkeit halber: Bei Saints Row 4 war die Ausgangslage eine andere. Koch Media kaufte eine teure Marke auf und verwandelte ein als DLC gedachtes Szenario einfach in den nächsten Teil, um schnellstmöglich die maximierte Kohle einzufahren. Rotzfrech, aber dennoch gelungen.

Das Vierergespann von Borderlands: The Pre-Sequel. Ich kann hier nur für Wilhelm sprechen, aber zumindest Claptrap werde ich auch noch mal anspielen.
Das Vierergespann von Borderlands: The Pre-Sequel. Ich kann hier nur für Wilhelm sprechen, aber zumindest Nisha werde ich auch noch anspielen.

Natürlich spielen wir nicht gleiche Mischpoke aus Borderlands 2. Den Sympathieträger Claptrap als spielbaren Charakter in Borderlands: The Pre-Sequel zu etablieren, ist aber sehr clever ausgeheckt. Mir persönlich ging der kleine Blechkasten in Borderlands 2 so dermaßen auf den Zeiger, dass schon beinahe Jar Jar Binks-Dimensionen erreicht wurden. Deswegen habe ich das fahrende Altblech nicht ausgewählt und mich für Wilhelm entschieden. Keine schlechte Wahl, ansonsten wäre es Nisha gewesen. Bei allen Borderlands-Teilen habe ich eine Schwäche für die Freunde von Schusswaffen und weniger den Nahkämpfern. Und während also in den ersten Menüs der Charakter ausgewählt und die ersten Filmsequenzen angeschaut werden, fühlt man sich bestenfalls ein wenig zu Hause. Oder aber verarscht. Das kommt halt darauf an, wie man generell zum Thema Vollpreis-DLC steht.

Borderlands: The Pre Sequel: Auf zum Mond

Ob Mond oder Pandora: Rein optisch tut sich da nicht viel. Karge Landschaften zeichnen Borderlands seit jeher aus und so fügt sich der Mond eigentlich gut ein in die Reihe der Borderlands-Spielwelten. Allerdings kommt es dann doch anders: Denn in Borderlands: The Pre-Sequel hat die Location eine enorm direkte Auswirkung auf das Gameplay. Schwerkraft ist kaum vorhanden und mit den Sprung-Boosts wird ein sehr ordentlich funktionierendes vertikales Gameplay eingeführt, dass defensiv und noch mehr offensiv einige neue Optionen bietet. Treffer aus der Luft sind nicht nur spektakulär, sondern habe eine größere Wirkung und wer sich mit dem Popo voraus mit Volldampf auf einem Gegner niederlässt, kann auch mit dieser Taktik enorme Erfolge feiern. Aber noch wichtiger: Es lässt sich ohne Sauerstoffmaske nur ganz schwer und kurz auf dem Mond atmen. Gerade in den ersten Stunden tickt besonders bei größeren Konfrontationen mit Gegnerhorden unbarmherzig die Sauerstoff-Uhr im Hintergrund. Das gefällt mir. Trödeln ist nicht mehr.

The Moon. So karg wie alle Locations in Borderlands - von den Hubs mal abgesehen.
The Moon. So karg wie alle Locations in Borderlands - von den Hubs mal abgesehen.

Storyspoiler spare ich mir, so gut es geht zumindest. Wir erleben die Wandlung von  einem Handsome Jack, der seinem Namen die Ehre macht hin zu dem seltsamen Heini und Bösewicht, wie wir ihn aus Borderlands 2 kennen. Die Geschichte ist weitaus besser gelungen als zu erwarten war und besonders im Vergleich zum ersten Borderlands irgendwo im Pullitzerpreis-Niveau zu verorten. Zugegeben: Das liegt eher am bescheidenen Niveau der Erzählung aus der Borderlands-Premiere - aber alle Nostalgiker sollten sich die hanebüchene und grottig vorgetragene Kammer-Story vor Augen führen, bevor sie über Borderlands: The Pre-Sequel meckern. Nebenbei bemerkt: Nicht zum ersten Mal funktioniert eine DLC-Story besser als die des Hauptprodukts. Ne, Bioshock: Infinite?

Ansonsten, ich muss es wiederholen, bleibt verdammt viel beim Alten. So sehr ich Borderlands: The Pre-Sequel mag, komme ich trotzdem nicht ganz umhin, mich zwischenzeitlich von 2k veräppelt zu fühlen - besonders in den Passagen, bei denen die Schwerkraft keine Rolle spielt. The same old shit. Gut, bei den Perks, nennen wir sie mal so, bastelte sich 2k Australia noch was Neues zusammen. Bei Wilhelm sind es zwei Drohnen, die im gewohnt biederen Pseudo-RPG-Skill Tree aufgemotzt werden können. Wolf fliegt Angriffe, während Saint den lieben Wilhelm heilt. Sehr nützlich, aber manchmal mit Blick auf das Balancing zu viel des Guten. Fühlte ich mich gerade nicht so in Stimmung um selbst gegen eine überschaubare Gegnerhorde anzutreten, stellte sich „mein“ Wilhelm ganz gemützlich auf eine Sauerstoff-Quelle und ließ den aufgepimpten Wolf mal schön machen. Da langweilte sich manchmal sogar Saint. Das klappt, hat aber durchaus eine destruktive Note.

Borderlands: The Pre-Sequel 1
Der immergleiche Cel Shading-Look stumpft den Spieler auf Dauer ein wenig ab. Da bemerkt man kaum, dass so manches Panorama äußerst gut gelungen ist.

Irgendwie fühle ich mich durch mich selbst genötigt, eine Art Kaufempfehlung für Borderlands: The Pre-Sequel abzugeben. Denn es ist tatsächlich ein gelungenes, kurzweiliges und amüsantes Spiel. Nach altbewährtem Rezept unter Einsatz von ein paar neuen Gewürzen. Verkauft als Vollpreistitel, trotz der augenscheinlichen Nähe zum DLC. So ganz kriege ich die geballte Faust nicht aus der Hosentasche und das liegt nicht zuletzt an der Erwartungshaltung, dass im (zwar eigentlich inoffiziellen) dritten Teil einer Serie mehr drin sein muss als in diesem Spiel. Ja, eigentlich sollte das so sein. Ist es aber nicht und daher ertappe ich mich dabei, auch ein wenig enttäuscht zu sein. Trotzdem nicht ganz unwichtig: Bevor ich Borderlands: The Pre-Sequel begonnen habe, arbeitete ich mich an Watch_Dogs ab. Rieb mich auf, geradezu. Was für eine verpasste Chance dieses Spiel doch ist! Rührt so ziemlich alle altbekannten und etablierten Open World-Gameplay-Elemente zu einem uninspirierten Brei zusammen und verdaddelt damit ein hervorragende Grundidee. So einen Fehler machte 2k Australia nicht. Da blieb der Schuster bei seinen Leisten, reparierte hier und da ein wenig und verstärkte am Ende noch einmal die Sohlen. Da kommt kein neuer Schuh bei rum, aber wer zuvor in die alten passte und sich für das Update interessiert, liegt nun mal bei Borderlands: The Pre-Sequel definitiv richtig.