Zugegeben, ein paar Tage lang habe ich Game of Thrones: Sons of Winter vor mir her geschoben. Life of Strange wollte zuvor gespielt werden und so ganz ohne Übergang von einem Episodentitel zum anderen zu wandern, wirkte nicht besonders aufregend. War es dann aber doch. Sons of Winter ist meiner Meinung nach eine der besseren Episoden und das nicht, weil es endlich entscheidende Entscheidungen zu treffen gilt, sondern weil es die erste Folge ist, die sich wie ihr Original anfühlt. Bis auf die eine Situation, als Telltale aus seinen eigenen Erzählmustern ausbricht und einen vermeintlich ganz großen GoT-Moment mit einem ungewohnten Game Over-Screen in die Tonne befördert. Bei Game of Thrones muss der Schlag in die Magengrube weh tun und das so richtig. Zurückspulen zu müssen, sollte eigentlich kein Thema sein.

Darüber ärgere ich mich immer noch und das ist schade, weil Sons of Winter ansonsten überzeugt. Geht es um Charakterentwicklungen und darum, vernünftige Storyfäden zu spinnen, hat Telltale seit jeher ein Heimspiel. Bemerkenswert ist der gut genutzte größere Raum, den die bisherigen Nebendarsteller erhalten. Besonders Beshka gewinnt an Profil und gibt dem Handlungsstrang rund um Asher eine Tiefe, die man zuvor vergeblich suchte. Da braucht es dann eigentlich keine aufgeplusterten Daenerys Targaryen-Auftritte mehr, um diese Geschichte aufzuwerten. Wobei es dabei bleibt, dass bekannte Charaktere aus der Originalvorlage optisch eine Spur zu weit hinter ihren realen Vorbildern bleiben. Das könnte lieblos wirken.

Game of Throne Sons of Winter Daenerys Targaryen

[Achtung, ab jetzt wird geSPOILERert]. Beshkas Vergangenheit und ihr Leiden als Sklavin mit der Befreiung der Sklavenstadt Meereen zu verbinden, ist ein cleverer und stimmiger Schachzug - auch weil er durch Beshkas tiefen Blick in die Flasche zu Komplikationen und nicht zum großen Schulterschluss mit Daenerys führt. Dass Asher in Sons of Winter blass bleibt, ist geschenkt und hat neben dem großen Auftritt von Beshka einen weiteren guten Grund.

Gameplay, nämlich. Hört, hört! Meiner Erinnerung nach dürfte Sons of Winter seit der zweiten Folge der ersten Staffel von The Walking Dead die actionsreichste Episode in der jüngeren Telltale-Vergangenheit sein. Mit Asher redet der Spieler zwar auch, aber eigentlich spielen wir mit ihm. Beim Angriff auf Meereen agiert Asher mit Schwert und Armbrust und darf sich an Wachen vorbei schleichen. Das ist alles nicht besonders anspruchsvoll oder originell, tut einem Telltale-Werk aber richtig gut.

Game of Thrones  Beshka

Unbefriedigend bleibt das offene Ende des Angriffs auf Meereen. Dazu erfahren wir dann mehr in Episode 5 und da diese die vorletzte Folge sein wird, bleiben bei der Asher-Story nicht viel mehr Alternativen als ein erfolgreicher Deal mit Daenerys übrig. „Eine Armee für eine erfolgreiche Invasion“ dürfte das Motto sein und wenn man sich das mal genau anschaut, ist es doch verwunderlich, wie viel Tiefe Telltale in solch einen banalen Handlungsstrang schreiben kann.

Bemerkenswert entwickelt sich Mira´s Story. Sie erlangt Klarheit über mögliche Verbündete und neue Gegner und dabei redet sie und redet sie. Und redet. Bevor und nachdem sie redete. Die Geschwätzigkeit ihrer Story erreicht noch nicht Witcher 3-Niveau, streift aber oft genug die Grenzen (meiner) Geduld. Ganz eindeutig steht Mira im Hintergrund von Sons of Winter, aber es ist jetzt schon greifbar, dass innerhalb spielerischer Ödnis eine diplomatische Bande zart geknüpft wurde, die in den nächsten beiden Episoden an Gewicht gewinnen dürfte.

Game of Thrones  Sons of Winter Gared

Dramatischer Höhepunkt der letzten Episode war Gared Tuttles Infight auf der Mauer. Seine Geschichte wird stringent und spannend weitererzählt. Vom Schafott bis kurz vor North Grove führt Gared´s Weg, bei dem auch Cotter und Finn als miteinander verstrickte Kumpanen an Statur gewinnen. Mehr Dialoge anstelle von plakativ-misstrauischen Blicken sind ein schönes Werkzeug, mit dem Telltale die Nebendarsteller in Sons of Winter aufwertet. Gared´s Mission hinter der Mauer bleibt spannend, es ist der Road Movie-Anteil in dieser GoT-Staffel und steht dem Spiel sehr gut zu Gesicht.

Das Zentrum von Telltale´s Game of Thrones ist und bleibt aber Rodrik Forrester´s Kampf um Ironrath gegen die Whitehills & Co. Das eingangs erwähnte große Ärgernis ereignete sich in diesem Handlungsstrang. Rodrik´s erkämpft sich Oberwasser und seine Konfrontation im Hause Whitehill verläuft hochgradig dramatisch, eigentlich, wie der folgende Screenshot andeutet.

Game of Thrones  (7)

Erinnerungen an das sagenumworbene Red Wedding werden wach, was die TV-Serie ebenso wie den Start in das Spiel betrifft. Also, man könnte Telltale keine Effekthascherei vorwerfen, wenn sie dem Kanon der originalen Geschichte folgen und mit einem Paukenschlag drei oder vier Hauptcharaktere ins Jenseits befördern. Es wäre nur konsequent gewesen.

Stattdessen führte zumindest meine „Rodrik-Entscheidung“ zum einem Game Over-Screen, der inhaltlich nicht nachvollziehbar ist. Und auch nicht exotisch, wenn man einen Blick in die Kritik von eurogamer.de wirft. Nur ein Weg führt nach Rom, sozusagen, und es ist leider nicht der logische. „Mein“ Rodrik wurde selbstbewusst und zeigte besonders in Sons of Winter Kampfesmut. Diese Stärke sollte ihm nicht mit einem lapidaren Game Over-Screen abgesprochen werden. Das ist ein kleiner Verrat, den Telltale an sich selbst, vor allem aber an Game of Thrones verübt. Das Richtige endet manchmal böse. So ist das, eigentlich. Aber nicht in Sons of Winter.

Abschließend führe ich meine Telltale-Tradition mit der Liste meiner Entscheidungen fort. Interessant, dass rund 60 Prozent der Spieler Beshka´s Wutanfall in einen Mord ausarten ließen. 

Game of Thrones  Entscheidungen