Zugegeben: Noch bringe ich es nicht über mich in das HTC Vive oder Oculus Rift zu investieren. Bei aller kindlichen Neugierde und großer Liebe zum VR-Konzept fehlt es mir einfach noch an attraktiven Spielen. Für ein paar spektakuläre Momente bin ich nicht bereit rund 1.000€ auf den Tisch zu kloppen. Vorerst zumindest. Gänzlich begeistert bin ich allerdings – und das von Beginn an – von Google´s Cardboard. Von der Entstehungsgeschichte bis zum ausgearbeiteten Produkt ist das Cardboard nicht nur ein sympathisches Stück Tech-Geschichte, sondern eine der fantastischsten Innovationen der letzten Jahre.

Dass das Cardboard VR nicht in der gleichen Liga wie das Vive oder Rift spielt – das ist schon sonnenklar. Aber mit der Zeit mauserte sich, auch dank vieler kleiner Entwickler und Medien, die Infrastruktur rund um das Cardboard. Kleine lohnenswerte Erlebnisse lassen sich an vielen Ecken und Enden finden, man muss nur ein wenig danach suchen und experimentierfreudig sein. Empfehlenswert ist der Blick auf den 360 Grad-youtube Channel ebenso wie die App Within oder ganz schlicht die offizielle Cardboard VR-App, die mit wunderbaren Demos durchaus überzeugt. Zudem mag ich Caaaaardboard!, die VR-Variante von Aaaaaah!, InCell VR, Voxel Fly und tatsächlich auch Lamper VR. Alles keine abendfüllenden Spiele für den Core-Gamer von Welt – aber durchaus eindrucksvolle VR-Erfahrungen.

google cardboard vr

Der Weisheit letzter Schluss ist sicherlich nicht die Lebensdauer des Cardboards. Legte ich mir damals noch ein Original zu, wurde ich mit der Zeit geiziger und investierte lieber in die annähernd baugleichen Quasi-Imitate. Oder Konkurrenten, wen man es freundlich ausdrücken mag. Die beweglichen Teile, insbesondere die Bügel, sind naturgemäß besonders sensibel und wer auch immer sich daran extrem stört, sollte zu den Plastikmodellen greifen. Luxuriös sind auch diese Modelle nicht geraten (einen Überblick mit Tests gibt es bei VerbraucherWelt), aber definitiv komfortabler, besonders dann, wenn die Spieldauer länger als eine halbe Stunde betragen soll.

Trotz aller Vorteile bleibe ich den Pappvarianten treu. Ein kleiner Vergleich: Das Magic Cardboard V2 gibt es als Cardboard-Nachbau und als Plastikvariante. Letztere ist vor allem wegen den Schaumgummi-Abschlüssen bequem zu tragen. Auch das Smartphone einzubauen geht locker von der Hand; das ist alles überhaupt kein Problem. Nur: Der VR-Effekt stellt sich nicht so intensiv ein wie beim Pappkameraden. Was überrascht, weil die Linsen variabel einzustellen sind und etwa ein Silberblick damit gut auszugleichen ist. Leider habe ich bei allen Apps und Spielen nicht das Gefühl, „so richtig mittendrin“ zu sein, sondern auf eine Art VR-Leinwand zu schauen. Auch das ist und bleibt eindrucksvoll, keine Frage, aber ein großer Teil der Immersion geht somit flöten.

magic cardboard vr

Wobei es noch ein weiteres Merkmal der Plastikversion gibt, das ich zum einen nicht nachvollziehen und zum anderen nur schwer akzeptieren kann. Der Steuerungsbutton ist nicht vorhanden, weswegen nur Apps und Spiele Sinn machen, bei denen mit den Augen gesteuert werden kann. Sogar die nativen Google Cardsboard VR-Apps wollen somit nicht so recht funktionieren, was den Nutzen der eigentlich hochwertigeren VR-Brille deutlich einschränkt.

Beim Magic Cardboard V2, der Pappvariante, ist, wie bei so vielen Cardboards (inkl. dem Original), die Einsparung für die Nase eine Spur zu brachial geraten. Nach fünf Minuten spüre ich ein leichtes Drücken auf dem Nasenrücken (hey, das reimt sich) und sehe die Abdrücke auf der Haut als sehr sichtbaren Beweis davon. Angenehm ist das nicht, aber da ich eh selten mehr als zehn Minuten am Stück ein Cardboard nutze, geht mir die Immersion vor den Schmerz, sozusagen.

Ansonsten halten sich die Unterschiede aller Cardboard-Imiationen zum Original in Grenzen. Mal sitzt ein Gummi zur Kopfhalterung zu stramm, verkratzen die Linsen vergleichsweise schnell oder will der Button nicht so recht funktionieren. Alles vermeidbare Kinderkrankheiten, wobei sich das Geschrei mit Blick auf den Preis eigentlich in Grenzen halten sollte. Das Magic Cardboard V2 bietet abgesehen vom üblichen Problem mit dem Tragekomfort alles, was das Original auch bietet - kostet aber mit rund 12€ nur rund die Hälfte davon. Wer sich lieber exklusiv nur mit dem einzigen „wahrhaftigen“ Google Cardboard VR beschäftigen möchte, liegt damit natürlich auch absolut richtig. Und wer noch nie eine VR-Erfahrung machte, sollte mal ganz fix damit beginnen – und kann mit all den vielen Cardboards, die mittlerweile erhältlich sind, kaum etwas falsch machen.

Die Magic Cardboards wurden mir freundlicher Weise von VerbraucherWelt zur Verfügung gestellt. Nett, ne?