Crysis 3 ist optisch (auf dem PC!) umwerfend - was auch nicht anders zu erwarten war - und das gilt natürlich für den Multiplayer genauso wie für die Singleplayer-Kampagne. Schönheit ist aber nicht alles und wo der Multiplayer von Far Cry 3 sich den Vorwurf gefallen lassen musste, nur ein angeklatschtes Anhängsel der SP-Kampagne zu sein (dabei aber auch fein aussah), kann man Entwickler Crytek von diesem Verdacht freisprechen. Dafür ist der Multiplayer von Crysis 3 zu umfangreich und komplex sowie die Maps zu schön und brillant designt. Aber: Auf zu viel altbekanntes Arena-Geballer kommt zu wenig Innovation und kaum Story in irgendeiner Form. Mit dem Jäger- bzw. Hunter-Modus schafft Crytek es durchaus, eine ganz spezielle und intensive Spannung zu erzeugen, die aber beinahe im Dickicht der Mainstream-Online-Modi untergeht.

Zuerst einmal - wenn man wieder den Vergleich zu Far Cry 3 sucht - hat Crytek die Technik im Multiplayer im Griff. Die Lags halten sich in Grenzen, man wird nicht grundlos aus der Lobby  geworfen und die freie Serverwahl ist auf dem PC im Vergleich zum Matchmaking der Konkurrenz eine wahre Wohltat und ein Stück Freiheit. Well done, Crytek! Ansonsten bietet sich das bekannte Bild: Upgrades, wo man nur hinschaut. Sei es bei den Waffenaufsätzen vom Visier zum Schalldämpfer oder der Panzerung und Stealth-Features. Bei der so genannten Fähigkeitenbewertung schaut man sich seine Auszeichnungen an, die vom Erstschlag über die Anzahl der Headshots bis zu Mehrfachkills reichen, und heimst dafür die obligatorischen Bonus XPs ein. Faszinierend, wie sehr immer noch der Multiplayer von Call of Duty: Modern Warfare in den Köpfen der Entwickler spukt. Es ist die gleiche Geschichte wie damals, nur sieht der Multiplayer bei Crysis 3 um ein Vielfaches besser aus - und verfügt auch über die ausgeklügelteren Maps.

Die Map Skyline in Crysis 3 - hier in einem Deathmatch - bietet nicht nur eine wunderschöne Aussicht, sondern auch viele Chancen und Gefahren für den geneigten Camper. Die Balance zwischen sehen und gesehen werden ist bei Skyline ordentlich austariert.

Beim Blick auf alle zwölf Maps mit ihren völlig unterschiedlichen Locations - neben der Skyline sind die Maps FlughafenFinanzdistrikt, East River, Museum und Chinatown die Highlights - fällt auf, dass diese nicht nach Schema F gespielt werden können. Auch wenn die Sniper vielleicht durch eine unverhältnismäßig große Wucht leicht bevorteilt sind, macht es, abgesehen von einzelnen Vorsprüngen hier und da, nicht bei jeder Map auch Sinn sie zu nutzen. Museum oder Flughafen etwa bieten ausreichend Möglichkeiten für den Spieler, der eher das Sturmgewehr oder die Schrotflinte bevorzugt. Das Highlight ist im Multiplayer wie im Singleplayer der Bogen, auch wenn er durch sein träges Handling gerade in den beiden letztgenannten Maps nicht sonderlich zu gebrauchen ist. Immerhin basiert der Jäger- bzw. Hunter-Modus auf dieser Waffe und das ist mehr als gut so.

Vorsicht vor zu vollen Maps im Crysis 3 Multiplayer

Zudem bieten die Maps nicht nur durch Häuserkampf-Verwinklungen, engen Gassen bzw. Tunneln oder Grotten ein wenig Abwechslung, sondern auch durch mapbedingte Waffen. Da liegt dann eben mal ein Mech mit Granate am Wegesrand oder ein Heli ist zum Abflug bereit. Das Perk-Einerlei wird im Crysis 3-Multiplayer ganz ordentlich aufgelöst und verlangt auch nach ein wenig mehr Aufmerksamkeit als bei der Konkurrenz im Multiplayer. Trotzdem: Mit einer vollen Map mit 16 Spielern löst sich das variable Design der Maps dann wieder auf und das Spiel wird zur Online-Arena, in dem doch nur alle wild herumballern. Daher meine Empfehlung: Möglichst Maps aussuchen, bei denen maximal 12 Spieler online sind.

Die Map Flughafen ist eine der variabelsten und ansehnlichsten in Crysis 3. Schade nur, dass der hier dargestellte Modus „Speer“ so simpel und langweilig ist.

Die Modi im Crysis 3 Multiplayer können wir schnell bis auf eine Ausnahme abhaken. Deathmatch und Team-Deathmatch sind obligatorisch. Erobere das Relais, Speer, Angriff, Sperre und Exfiltration laufen leider allesamt auf das Gleiche hinaus, denn egal wie groß die Map ist: Die Kämpfe konzentrieren sich auf einen oder sehr wenige Punkte, auf denen dann wild herumgeballert wird, was weder taktisch noch strategisch fordernd oder neu, sondern einfach nur Mainstream und Durchschnitt ist. Besonders wenn sich, wie oben erwähnt, 16 Spieler auf einer Map tummeln. Aber: Da gibt es doch noch eine wahre Multiplayer-Perle, die Crytek mit dem sehr spannenden Jäger bzw. Hunter-Modus entwickelte.

Das Highlight: Der Jäger-Modus

Es beginnen zwei dauergetarnte und mit Bogen bewaffnete Jäger die restlichen Mitspieler, die als Cell-Soldaten antreten, zu jagen. Dabei tickt die Uhr in den kurzen Runden gnadenlos und die Dramatik steigert sich auch dadurch, dass die Peilsender der Cell-Soldaten nicht sonderlich weit reichen. Schlägt er aus, ist direkte Gefahr in Verzug und der Adrenalinpegel steigt. Wehrte man die Attacke nicht ab, wird man nicht einfach respawned, sondern erwacht als Jäger und hetzt den Rest der Meute. Die Grenzen zwischen Freund und Feind sind daher fließend und wer neben einem Mitspieler meint campen zu müssen, sollte sich nicht wundern, wenn dieser einen zwei Minuten später als Jäger einen tödlichen Besuch abstattet. Als Jäger anzugreifen ist auf eine andere Art und Weise hochdramatisch, aber nicht reicht nicht ganz an die Panik und Spannung heran, die man zum Beispiel als letzter Überlebender auf der Flucht hat.

Hochspannung und große Dramatik. Noch leben die Kameraden im Jäger Modus - hier in der Map Finanzdistrikt - aber schon einige Sekunden später könnten sie uns verfolgen.

Der Jäger- bzw. Hunter-Modus erzählt zwar keine Geschichte, bietet aber mit dem Wechsel der Identitäten ein abwechslungsreiches Gameplay und knisternde Spannung. Schade, dass sich Crytek nicht traute, den Multiplayer noch mehr auf derartige Szenarien aufzubauen. Schaut man sich im Serverbrowser die Popularität des Jäger-Modus an, kommt er (gefühlt) direkt hinter dem Team-Deathmatch. Das heißt schon was und vielleicht fühlt sich Crytek ermutigt, bei den Multiplayer-DLC noch den einen oder anderen ungewöhnlicheren Modus hinterher zuschieben.

Dann würde nämlich ein großartiges Gameplay auf eine phantastische Optik und clever designte Maps treffen und damit Crysis 3 auf das Podium im Multiplayer-Ranking hieven. So reicht es ansatzweise zu ganz großem Kino, aber nur streckenweise, denn ansonsten fährt Crytek mit angezogener Handbremse auf der Mainstream-Spur. Trotzdem: Der Multiplayer von Crysis 3 verdient einen Versuch, auch wenn es nur beim Jäger-Modus bleibt.

Hier geht es zur Review der Crysis 3 Singleplayer-Kampagne!