Schön, dass ich mitspielen durfte bei The Wolf Among Us. Echt. Aber gerne hätte es ein wenig mehr sein dürfen. Ein größerer Einfluss auf Story und Charakter, die Chance zu scheitern, die Chance hier und da mal eine wenigstens klitzekleine relevante und echte Entscheidung treffen zu dürfen. Kurzum: Wie großartig wäre es gewesen, als Spieler in The Wolf Among Us involviert zu sein. Die Serie hätte es verdient. Telltale Games verfolgte mit The Wolf Among Us aber andere Pläne und wies uns die Rolle des halbaktiven Betrachters zu, der meistens der Story folgt und hin und wieder den Stil festlegen darf, mit dem Bigby Wolf versucht die Mordserie in Fabletown zu beenden und den Mörder hinter Gitter zu bringen. Oder ihn in den Brunnen zu werfen. Oder ihm den Kopf abzureißen. Oder beides. Wie gesagt, hin und wieder dürfen wir uns beim „Wie“ einmischen, nicht aber beim „Ob“.

Wer nichts gegen interaktive Graphic Novels hat, und genau das ist The Wolf Among Us, dürfte sich prächtig amüsieren. Wobei das mit dem amüsieren natürlich so eine Sache ist. The Wolf Among Us ist düster, wechselt nur zwischen depressiven und melancholischen Phasen und es lacht auch keiner in den fünf Episoden. Das ist in Cry Wolf, dem Abschluss der ersten (und letzten?) Staffel von The Wolf Among Us nicht anders als zuvor. Also: Düstere Grundstimmung + düstere Story + düstere Welt, die mit einem hochinteressanten Neonlook eine schöne kreative Note erhält = The Wolf Among Us. Keine Unterhaltung für einen lauen Sommerabend, sondern für die dunkle Stunde vor einem mächtigen Gewitter. Wer darauf abfährt, sollte sich The Wolf Among Us nicht entgehen lassen. Wobei ich glaube, dass die, die ein Fable (Wortwitz!) für die Serie und Spiele von Telltale Games haben, eh schon längst zugegriffen haben.

Und es gibt in The Wolf Among Us diese Bilder und Momente, die aus dem Kunstwerk herausragen.
Und es gibt in The Wolf Among Us diese Bilder und Momente, die aus dem Kunstwerk herausragen.

The Wolf Among Us begann als klassische Detektivgeschichte in ungewöhnlichem Setting. Ist nun nicht tatort-like, dass der Böse Wolf den Detektiv mimt. Und Schneewittchen seine Kollegin und spätere Chefin. Dass es zwischen ihnen knistert obendrein, mag so mancher Märchenfreund befremdlich finden, aber nun gut, es ist halt eine freie Interpretation verschiedenster Märchen und Märchenfiguren, die in ein fiktives Jetzt projiziert werden. Klingt ziemlich abgefahren und ist es natürlich auch. Vielleicht ist es daher sogar clever, den Spieler nicht zusätzlich noch mit Gameplay zu verwirren. Kann aber eher sein, dass Telltale Games keine Lust und Kapazitäten dazu hatte, sein The Walking Dead-Konzept weiterzuentwickeln. Auf dessen (gelungene!) spielerische Armut, besonders in der wegweisenden ersten Staffel, folgt in The Wolf Among Us eine weitere Reduzierung der Möglichkeiten, seinen Charakter zu steuern. Das mag sogar ehrlicher als bei TWD konstruiert sein, aber…siehe erster Absatz…es hätte halt auch gerne mehr sein dürfen.

The Wolf Among Us: Böser Wolf oder noch böserer Wolf

Warum auch immer es so war, aber in Cry Wolf hatte ich Lust, mit Bigby ein wenig die Sau rauszulassen. Zuvor ließ ich ihn oft mit Schaum vor´m Mund die Faust in der Tasche ballen, aber das hätte nicht zum großen Finale gepasst. Das interessanter Weise schon mit dem Cliffhanger der vierten Episode begann. In der Höhle des Crooked Man steht also Bigby Wolf ziemlich breitbeinig und will den Oberganoven und Mega-Verschwörer festnehmen, obwohl so ziemlich alles gegen ihn spricht. Wie etwa die Knarren, die ihm ins Gesicht gehalten werden. Und dass der eine Tweedle, der noch lebt plus Georgie und Bloody Mary nicht die friedlichste und angenehmste Gesellschaft sind, die man sich vorstellen kann, dürfte jedem klar sein, der die Serie bisher verfolgte.

Bigby Wolf kann auch anders! Here im Infight mit der multiplizierten Bloody Mary.
Bigby Wolf kann auch anders! Here im Infight mit der multiplizierten Bloody Mary.

Bemerkenswert ist der Rhythmus von Cry Wolf: Gut, eine Gameplay Wundertüte erwartet nun niemand mehr. Aber: So streng wurde noch keine Episode in Dialog- und Quicktime-Events aufgeteilt. Bei völligem Verzicht der bisher üblichen Pseudo-Ermittlungs-Adventure-Passagen. Im Finale von The Wolf Among Us ist Bigby Wolf mehr Vollstrecker als Detektiv und wenn geredet wird, dann nur über das vollstrecken.

The Wolf Among Us E5 Cry Wolf 3
Fehler machten alle!

Gefallen hat mir besonders dieser feine Twist am Ende der Geschichte, als ich mich eigentlich gerade an dem Eindruck störte, dass hier ein überflüssiger Epilog ganz mächtig in die Länge gezogen wird. Und dann, es regnet natürlich, überrumpelt einen The Wolf Among Us dann doch noch und, nicht ganz unwichtig, sogar auf logische und sinnige Art und Weise. Das muss ich Telltale Games überhaupt mal lassen: Die Story, so zerfleddert sie besonders in der dritten und vierten Episode zwischenzeitlich daherkam, hat tatsächlich Hand und Fuß. Wie das ganze Projekt, natürlich. Wobei es doch noch was zu meckern gibt, ganz zum Abschluss, und das ist die liebe Technik. Himmelherrgott, das Ding ruckelt. Kann nicht sein, eigentlich, und es ist nur zu hoffen, dass Telltale Games mit Blick auf Game of Thrones und der Borderlands-Geschichte der hauseigenen Engine ein Update verpasst. Und, Achtung SPOILER, auch wenn es ein wenig lächerlich ist, gibt es zum Abschluss traditioneller Weise noch die Auflistung meiner (Pseudo-)Entscheidungen.

The Wolf Among Us E5 Cry Wolf Entscheidungen

The Wolf Among Us E5 Cry Wolf Entscheidungen 1