Auch wenn Sleeping Dogs keine ganz neuen Pfade im Open World-Genre beschreitet, hat es doch zweifelsohne ein Alleinstellungsmerkmal: Hongkong. Ein interessantes Setting. Und das in mehrfacher Hinsicht. Wir durchstreifen Orte wie etwa den Nachtmarkt, der mit einer ganz eigenen Atmosphäre aufwartet. Es gibt Teeläden. Und viele, viele kryptische, bunte Werbeschilder. Alles schön, gut und soweit gameplaytechnisch belanglos. Aber: Hongkong steht in Sleeping Dogs symbolisch für eine ganz spezielle Hauptstory, die sich direkt auf typische Szenarien des Asia-Kinos beruft. Wie etwa Kämpfe innerhalb und zwischen den Triaden ebenso wie den Undercover-Cop-Plot. Auch einige der eher exotischen Nebenbeschäftigungen und Locations würden nicht in einem virtuellen Paris funktionieren. Massagesalons vielleicht schon, Karaoke nicht so.

Natürlich gibt es Klischees in Sleeping Dogs. Bei den Radiosendern gibt es eine große Schlagseite in Richtung Asia-Schlager, um es vorsichtig auszudrücken. Zudem haben alle (!) Prostituierten unfassbare Fispelstimmen und scheinen kaum bis drei zählen zu können. Die Überzeichnungen sind aber nicht derart too much wie in Saints Row: The Third, wo sich eine Stadt von null auf eine Sekunde in einen militaristischen Polizeistaat verwandelt. Humor wird in Sleeping Dogs nicht groß geschrieben und nur wer das Setting, die Story, die Charaktere und die Kämpfe bierernst nimmt, wird seinen Spaß an dem Spiel haben.

Ein Moloch. Aber ein interessanter. So sieht Hongkong in Sleeping Dogs aus.

Wobei die meisten Bausteine in Sleeping Dogs Open World-Standard sind. Wie die Minikarte mitsamt Navigationsgerät. Missionen gibt es über das Smartphone. Wir müssen viel hin und her fahren. Es gibt den Wechsel zwischen Tag- und Nacht. Und es gibt ein wenig Entertainment. Karaoke, das von der Mechanik her an Guitar Hero und Co. angelehnt ist und am meisten Spaß macht, wenn man schief singt. Es gibt Frauenbekanntschaften. Sich mit ihnen zu treffen, verschafft nicht nur unserem Stenz namens Wei Shen lauschige Augenblicke, sondern vor allem Upgrades oder – in der Entstehung völlig sinnfrei – Markierungen auf der Karte zum Beispiel für Tresore oder Gesundheitsschreine. So haben alle was davon, wenn sich Wei Shen mit Tiffany abgibt.

Im Gegensatz zu den ollen Tauben aus GTA IV haben die  Tresore, Schreine und Statuen einen großen Einfluss auf das Spiel und unsere Chancen, nicht bei jeder zweiten, sondern erst bei jeder vierten der anspruchsvollen Schlägereien draufzugehen. Bringen wir die Statuen zurück, erhalten wir Upgrades und Moves für den Nahkampf, die wir direkt vor Ort in der Kung Fu-Schule üben müssen. Gerade wenn es später gegen die bewaffneten Kollegen geht, macht es Sinn, auf ein möglichst großes Repertoire an verschiedenen Combos zurückgreifen zu können. Aktivieren wir die Schreine, erhalten wir zusätzliche Gesundheit. Einige der Tresore müssen geknackt werden – was nicht weiter kompliziert ist – und bei diesen erhalten wir mehr als nur Geld, sondern auch verschiedene Kleidungsstücke, mit den wir zum Beispiel zusätzliche Erfahrungspunkte sammeln, die wiederum unser Ansehen schneller steigen lassen. Mit hohem Ansehen lassen sich immer schnellere und bessere Fahrzeuge kaufen, was gerade bei der Flucht vor der Kavellerie nicht ganz unwichtig ist.

Was für ein Panorama! Das Centrum von Hongkong macht in Sleeping Dogs einiges her,  aus der Vogel- wie auch der Passantenperspektive.

A propos Fahrzeuge und bekannte Gameplayelemente: Es gibt bei Sleeping Dogs auch illegale Rennen. Leider, denn während die meisten Nebenmissionen und Gimmicks drumherum stimmig sind und sich perfekt in die Hauptstory einfügen, wirken die Rennen aufgesetzt und überflüssig. Die Fahrphysik ist arcadig und besonders bei den schnellen Motorrädern wird zu schnell zu hart gebremst. Das geht besser. Aber, auch hier zieht die Atmosphäre die Karre aus dem Dreck: Besonders wenn es mit High Speed durch die engen Gassen sowie Auf und Ab geht, schnellt das Adrenalin hoch. Die Technik mag nicht perfekt sein, aber einige der Rennen folgen einem grandiosen Kursdesign.

Die Dichte an Massagesalons und Gewalt mag nicht jeden überzeugen. Mich auch nicht, vor allem weil ich bei Ersterem die Funktion in Frage stellen möchte: Warum gewinnen wir mit einem speziellen Upgrade kurzzeitig zusätzlich an Ansehen, wenn wir ein Schäferstündchen bei einer Prostiuierten verbrachten? Ist das so in Hongkong? Wohl eher nicht. Da sind die Upgrades, die im Teeladen (temporäre Schadensreduzierung) und im Supermarkt (für kurze Zeit wirkungsvollere Treffer) erhältlich sind, weitaus nachvollziehbarer. Und meiner Meinung nach – wie schon im ersten Teil des Reviews beschrieben – müsste es nicht ganz so derbe zugehen, wenn man in Kämpfen die Umgebung mit einbezieht.

Da Sleeping Dogs kein albernes Sandkastenvergnügen ist wie Saints Row: The Third oder Just Cause 2, wird es unter dem Strich nachhaltig nur durch eine starke Story und interessante Missionen überzeugen und nachhaltig im Gedächtnis bleiben können. Dazu denn mehr im letzten Teil des Reviews.

Hier geht es zum ersten Teil des Reviews: Sleeping Dogs: Hack´n Slay

Hier geht es zum dritten und letzten Teil des Reviews: Sleeping Dogs: Final