Mit Sleeping Dogs aus dem Hause Square Enix fand das Somerloch sein verdientes Ende. Es war an der Zeit. Übrigens auch mal wieder für ein Open World-Game, das dieses Label verdient. Das Genre dümpelte in den letzten Monaten ein wenig vor sich hin, vielleicht auch weil es einige Publisher und Entwickler leid waren, dass ihr Produkt konsequent in einen Topf mit GTA IV geworfen wurde. Das wird hier nicht passieren, vor allem weil einige Anleihen im Spiel überraschender Weise eher in einer ganz anderen Ecke zu finden sind (Batman!) als in der immergleichen Rockstar-Schublade. Also: Der Blick geht auf Sleeping Dogs als eigenständiges Spiel. Als in Hongkong angesiedelten Undercover-Thriller. Mit Linksverkehr.

Bevor in den nächsten Teilen Story und Atmosphäre genauer unter die Lupe genommen werden, geht es nun erst einmal um die Technik, das Gameplay und dabei vorrangig um die Kämpfe. Letzteres ist ein integraler Bestandteil des Spiels. Wer mit Hack´n Slay (auch der gehobenen Sorte) nichts anzufangen weiß, sollte einen großen Bogen um Sleeping Dogs machen. Wer allerdings mit großer Freude Batman: Arkham Asylum und Batman: Arkham City spielte, wird sich wie zu Hause fühlen. Sofern die Bereitschaft vorhanden ist, bei der Technik große Zugeständnisse zu machen. Es ist schon verblüffend, wie schwach sich einige Games am Ende dieser Konsolengeneration präsentieren. Sleeping Dogs ist in dieser Hinsicht leider ein Vorzeigetitel. Auch wenn das Charaktermodell von unserem Helden Wei Shen noch in Ordnung ist – trotz kaum vorhandener Gesichtszüge und fehlender Mimik – sind es vor allem die Passanten im Spiel oder unsere Gegner im Kampf, die kaum auseinander zu halten sind. Verwaschener geht es kaum noch. Und es wird auch ordentlich geklont, sogar bei den Hühner in den Grillstationen. Kantenflimmern und Treppenbildung fallen besonders bei Tageslicht auf, während die Grafik in den Abend- und Nachtstunden stimmiger und atmosphärischer wirkt. Die Bewegungsabläufe sind nicht nur im Spiel selbst hakelig, sondern sogar auch in den Cutscenes. In dieser Hinsicht bewegt sich Sleeping Dogs eher auf dem Niveau von Fallout 3 als etwa von InFamous 2.

Wenn es Nacht wird, macht Sleeping Dogs schon was her. Der Nachtmarkt ist als Location durchaus gelungen.

In den ersten Stunden ist das Intro der einzige Part, bei dem ihr niemanden eins auf die Mütze gebt. Die Storyeinführung ist schnell und kurzweilig erzählt. Man bemerkt auch, dass überhaupt eine nennenswerte Story vorhanden ist, was als großes Kompliment an Sleeping Dogs zu verstehen ist. Gameplaytechnisch ist das Intro eher enttäuschend. Man rennt (in der PS3-Version) mit dem X-Button, man springt mit dem X-Button und man klettert mit dem X-Button. Fühlt sich an wie Quicktime-Action, ist es aber nicht. Und dann kommen die ersten Kämpfe und wer glaubt, dass Wei Shen sich jeden Moment in ein Batman-Cape werfen könnte, liegt gar nicht mal so weit daneben.

Sich bei gelungenen und kommerziell erfolgreichen Games wie den Batman-Spielen von Rocksteady etwas abzuschauen, ist ja nicht falsch. Nur: Man kann es auch übertreiben. Die Combos ähneln denen aus Batman, als wären sie 1 zu 1 übernommen worden. So kann man beispielsweise erst mit dem Viereck-Button eine Combo aus leichten Treffern starten, um diese dann mit einem harten Schlag oder Tritt abzuschließen. Mit dem Kreis wird der Gegner gepackt und dann per X-Taste mit dem Knie malträtiert. Wird dem letzten Gegner einer Horde der Hintern versohlt, bewundern wir diese Aktion nicht nur in Batman-Slow Motion, sondern hören dazu noch eine ähnlich krachende Krawumms-Sequenz. Zudem sind die Gegner auch farbig markiert, bevor wir sie kontern können.

Zwei gravierende Unterschiede zu den Batman-Games gibt es aber doch zu vermelden: Man kann nicht ganz so albern während der Fights umherhüpfen. Und, was viel wichtiger ist: Die Kämpfe sind bei Sleeping Dogs weitaus fordernder, dagegen wirken die Auseinandersetzungen bei Batman vergleichsweise arcadig. Unsere Gegner blocken recht geschickt und können ordentlich einstecken. Manche von ihnen sind bewaffnet und wissen zum Beispiel sehr gut mit dem Messer umzugehen. Die einen Kämpfer lassen sich nicht packen und weichen hervorragend aus, andere wiederum sind zwar schwerfällig, versuchen aber ihrerseits uns zu packen und auf den Boden zu schleudern.

Man sollte sich – immer entsprechend den Stärken und Schwächen der Gegner – eine geeignete Strategie ausdenken. Komplexer, aber auch wirkungsvoller, werden die verschiedenen Taktiken durch die Nahkampf-Upgrades, die wir erhalten, wenn die Statuen des Kung Fu-Meisters gefunden und zurückgebracht werden. Daher: Wer zu Beginn zu oft scheitert, sollte nach den Stauen Ausschau halten und so sein Kampfrepertoire vergrößern. Generell sollte bei den Fights auf das Timing der Schläge und Tritte geachtet werden. Für die Combos ist ein gewisser Rhythmus einzuhalten – wobei der Grad zwischen dem Antippen und dem Halten eines Buttons leider recht schmal ist. Ohne Übung und das richtige Gefühl bleiben daher zuerst die Kämpfe eher Glückssache oder Teil einer Pechsträhne. Noch ein kleiner Tipp: Nie, wirklich nie, sollte man in eine Gegnergruppe reinplatzen und den starken Mann spielen. Das geht garantiert schief. Geduld ist gefragt: Am besten haltet ihr euch ein wenig auf Distanz und versucht, jeweils einen Gegner aus der Horde zu reißen und zu isolieren. Das funktioniert ganz ordentlich, wenn man es schafft, sich mit Kontern gegenüber den anderen Gegnern den Rücken freizuhalten.

Da fließt auch mal Blut. Noch mehr als hier vor allem dann, wenn die Umgebung mit einbezogen wird. Findet die USK auch.

Sehr hilfreich ist es übrigens, die farbig markierten Umgebungsgegenstände mit einzubeziehen. Etwa Lüfter, Mülltonnen oder ähnliche Hilfsmittel. Ganz ehrlich: Es überrascht nicht, dass die USK an diesem Punkt Nachholbedarf sieht. Gewundert haben mich zwei Tatsachen: Erstens fragte ich mich, warum weder unser Held noch ein Gegner eine Knarre dabei hat. Dann hätte man sich einige mühevolle Kämpfe sparen können. Auch wenn es Schusswaffen in Sleeping Dogs gibt, sind sie nicht durchgehend verfügbar. Und dann sind manche Kämpfe sehr abstrus. Da prügelt sich Wei Shen alleine durch zehn Mann und kriegt bei den nächsten zehn Mann ordentlich eins auf die Nase. Das ist aber kein Problem, weil in der Nähe ein Getränkeautomat steht. In aller Ruhe und unbehelligt von den brav wartenden Gegnern ziehen wir uns eine Dose, trinken sie aus und machen dann bei bester regenerierter Gesundheit weiter. Das ist nicht clever gelöst worden.

Trotzdem: Die Kämpfe sind schwierig genug, um einen gewissen Reiz zu entfalten. Auch wenn die Kontrolle über den Helden ein wenig hakelig ist und man manchen Konter nicht fährt, weil Wei Shen konsequent seinen Gegnern den Rücken zudreht (oder unsereins noch Probleme mit dem Handling hat…). Das sind ärgerliche Frustmomente im Spiel. Aber wenn man sich damit arrangiert, entfaltet auch Sleeping Dogs sein Potenzial, das durchaus vorhanden ist. Nicht vergessen, es ist ein Open World-Titel. Mit Story. Und in Sachen Freiheit und Spielwelt muss sich Sleeping Dogs nicht vor der Konkurrenz verstecken.

Hier geht es zum zweiten Teil des Reviews: Sleeping Dogs: Hongkong

Hier geht es zum dritten und letzten Teil des Reviews: Sleeping Dogs: Final