Lara Croft ist wieder da, Tomb Raider ist zurück und nach großer Vorfreude auf das Spiel sorgte der Einstieg leider für Ernüchterung. Der Entwickler Crystal Dynamics und der Publisher Square Enix machen es den Spielern - unabhängig vom Schwierigkeitsgrad - sehr leicht, sich mit dem Reboot des Tomb Raider-Franchises anzufreunden. Eine feine und dramatische Inszenierung geht in den ersten Stunden Hand in Hand mit einem idiotensicheren und sehr quicktime-lastigen Gameplay, was letztlich nur dann begeistert, wenn man Tomb Raider lieber genießt als sich richtig reinfuchsen mag. Erfreulicherweise erweitern sich die Möglichkeiten im Gameplay mit fortschreitender Spieldauer, was in diesem Beitrag nun näher beleuchtet wird, bevor es im nächsten Teil des Tomb Raider-Tagebuchs um die Story gehen wird.
In den ersten Abschnitten in Tomb Raider - also in der Höhle der Plünderer, dem Küstenwald, den Waldruinen und teilweise auch noch im Bergtempel - spielt Lara Croft mehr mit uns als wir mit ihr. Sie duckt sich automatisch und greift ebenso ohne unser Zutun auffällig Uncharted-like nach markierten Kanten und Felsvorsprüngen. Auch wenn die Wälder und Gebirgsabschnitte fantastisch aussehen, ist unser Bewegungsradius leider begrenzt - immerhin fördert Crystal Dynamics, im Gegensatz zu Crysis 3, den Entdeckungsdrang mit versteckten Büchern, Kisten und Munition. Die Insel, auf der Lara Croft strandete, ist leider nicht frei begehbar, wird dafür aber mit der Zeit abschnittsweise freigeschaltet. Die Mechanik hinter Tomb Raider ist an diesem Beispiel gut zu erkennen. Ohne den Spieler zu überfordern, wird er mit der Spielwelt und den Gameplaymöglichkeiten vertraut gemacht - was mir persönlich ein wenig zu langsam vonstatten geht, aber nicht grundsätzlich falsch ist. Der Bogen als erste verfügbare Waffe ist eine gute Wahl, er bereichert Tomb Raider enorm und bringt ein wenig Far Cry 3-Feeling ins Spiel, vielleicht noch mit einer intensiveren Prise Dramatik und Spannung angereichert.
Die Map von Tomb Raider. Mit der Zeit werden auf der Karte neue Abschnitte und Orte eingezeichnet, die per Schnellreise fix zu erreichen sind, um zum Beispiel fehlende Bücher, Geocaches (kein Scherz!) - oder anderes Loot einzusammeln.
Die Zeit, den Bogen zu spannen und zu zielen, ist erst einmal sehr begrenzt, was aber später durch Upgrades in die Länge gezogen werden kann. Die ersten Kämpfe gegen Wölfe sind fein inszeniert, der Sound wird dramatischer, man hört die Tiere aggressiv knurren und hat - sofern ihnen nicht aus der Halbdistanz der Garaus gemacht wurde - noch durch eine Slow Motion kurz vor ihrem Biss Zeit, einen entscheidenden Treffer zu setzen. Ok, wie gesagt, anspruchsvoll ist das Gameplay von Tomb Raider nicht, was auch hier bestätigt wird, denn sogar wenn die Pfeile ins Unterholz rauschen, erhält der Spieler per obligatorischem Quicktime-Event noch die Chance, den Wolf im Nahkampf zu erlegen. Trotzdem: Der Bogen hat was, er funktioniert sauber und später vor allem als Möglichkeit, lautlose Kills zu erzielen, was dem Spiel ein wenig den aufkeimenden Geruch des Mainstream-Deckungsshooters nimmt.
Tomb Raider - nur ein Third Person-Shooter?!
Und dann hält Lara Croft eine Pistole in der Hand und damit verlässt Tomb Raider (leider) den eingeschlagenen Pfeil- und Bogen-Jäger-Abenteuer-Pfad und bewegt sich in Richtung Deckungsshooter. Mit Erfahrungspunkten für Headshots (!), was aus vielerlei Gründen nicht passt, hier seien nur Lara´s weinerlichen (aber storytechnisch stimmigen) Monologe in den Cutscenes und der Charakter des gesamten Tomb Raider-Franchises genannt. Während die Zielabfrage ordentlich funktioniert, stört es ein wenig, dass sich Lara Croft automatisiert duckt und sie sich durch Schüsse aus der Deckung heraus ebenso automatisiert als plumpe Zielscheibe platziert. Deswegen sollte gerade in den Kämpfen gegen mehrere Gegner die Ausweichfunktion ausgiebig genutzt werden, auch wenn sie albern aussieht. Am besten ist es jedoch, möglichst oft den Bogen zu nutzen oder den später noch erlernten lautlosen Nahkampf-Kill einzusetzen. Gerade in den Gebieten ab der Bergbasis lohnt es sich, auf leisen Füßen die Aufgaben zu erledigen, zumindest so weit Tomb Raider dem Spieler die Freiheit dazu ermöglicht.
Wenn man zu faul ist nachzudenken, hilft in Tomb Raider der Überlebensinstinkt weiter. Das Missionziel oben an der Klippe ist dann dezent angeleuchtet, während die kletterbaren Abschnitte sehr plakativ illuminiert werden.
Gehörten nicht zu den Tomb Raider-Spielen schwierige Kletterabschnitte und komplizierte Schalterrätsel in Grabkammern? Yep, Kletterabschnitte gibt es noch, die aber alles andere als schwer zu meistern sind, während die Grabkammer-Nebenmissionen immerhin ordentliche Abwechslung und Loot bieten. Während zu Beginn Lara automatisiert umherhüpft, bietet das Klettern mit dem Haken dann anspruchslosen Spaß. Falls man nicht schon auf den ersten Blick die Kletterpassage erblickt, hilft der Überlebensinstinkt weiter. Hin und wieder muss Lara Sprungeinlagen bewältigen, die aber per Knopfdruck einfach zu meistern sind. Spannend, wenn auch nicht äußerst schwierig, sind die kurzen Stealth-Passagen, die wieder hervorragend und spannend inszeniert wurden. Problematisch ist daran nur, dass die Linearität in Tomb Raider gerade in diesen Situationen der Spielwelt die Glaubwürdigkeit rauben kann. Da versteckt sich Lara in einem Spalt einer Ruine, um nach erfolgreicher Tat dann von einer unsichtbaren Wand an der Erkundung genau dieser Ruine gehindert zu werden. Das ist ungünstig, begehbare Räume sollten nur mit Grund und nicht „einfach so“ geschlossen werden.
Es bleibt zwar dabei, dass Tomb Raider kein anspruchsvolles Spiel ist, aber die sich entwickelnden Möglichkeiten im Gameplay geben dem Game einen zusätzlichen Reiz, für den ansonsten das Setting, die Story und die hervorragende Technik sorgten. Bis zu einem gewissen Grad kann sich der Spieler Tomb Raider selber garer backen, etwa durch weitestgehenden Verzicht auf Schusswaffen oder Upgrademöglichkeiten. Denn sehr schnell wird Lara sehr mächtig, womit sich Tomb Raider einiger Brillanz in Gameplay selbst nimmt. Größere Munitionskapazitäten, heftigerer Schaden und verlängerte Spannung beim Bogen machen halt nur dann Sinn, wenn auch die Gegner deutlich stärker werden. Trotzdem: Als Popcorn-Abenteuer macht Tomb Raider bislang durchaus Spaß, aber eben auf sehr oberflächliche Art und Weise. Ein klein wenig Exploration nach Proteus-Muster, mehr Möglichkeiten zur Jagd á la Far Cry 3 und mal ein Grabrätsel auf Antichamber-Niveau hätten Tomb Raider mehr als gut gestanden. Vor allem auch deswegen, weil sich die Abenteuerstory sich im Genre-Vergleich durchaus sehen lassen kann, wie im nächsten Teil beschrieben wird.
Hier geht es zum ersten Teil des Tomb Raider-Tagebuchs!
Und hier zum dritten und letzten Teil des Tomb Raider-Tagebuchs!
2 Comments
kamil
Schade, ich war von der Optik und den Cut-Scenes sehr begeistert. Sehr ärgerlich, wenn das Spiel durch das Gameplay etwas ruiniert wird. Wir bei mir wohl wieder auf so ein 20€ Kauf hinauslaufen.
WO ich voll auf deiner Seite bin ist, dass Video-Spiele heutzutage viel zu einfach geworden sind. Wenn ich da noch an das aller erste Tomb Raider denke, wie ich mich da aufgeregt habe als ich dauernd an den Kanten abrutschte, dann sind die heutigen Games wirkllich Kindergeburtstag. Schade.
Jens
Es sieht ja auch richtig fein aus, die Lobeshymnen zur Optik habe ich mir aber für den letzten Teil des Tagebuchs aufgehoben.Ich tippe mal im Sommer sollte es bei 20 Euro sein und vielleicht macht es Sinn, direkt auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad einzusteigen?
Oh ja, beim ersten Tomb Raider bin ich echt verzweifelt, beim zweiten auch. Wehe, man verpasste die Kante um einen 1mm! Tot! Und die Hebelrätsel war oftmals kompliziert und nervig - aber man fühlte sich halt immer gefordert und es wäre schön gewesen, wenigstens die Möglichkeit dazu im neuen Teil gewährt zu bekommen, aber…