Spricht man über GTA V, ist Trevor nicht weit. Trevor hier, Trevor da. In Zeiten blasser Storys und müder Charaktere mit wenig bis null Persönlichkeit, könnte diese Fixierung auf einen besonderen (nicht einmal) Anti-Helden eine gute Meldung sein. Ist es aber nicht, weil die schlechte, alte Rockstar-Regel mit GTA V auf die Spitze getrieben wird, die ungefähr wie folgt lautet: Statte deine Charaktere mit maximalem Zynismus aus, gib´ ihnen keine Möglichkeiten sich authentisch weiter zu entwickeln und lasse sie bis zum bitteren Ende irgendeinen kranken und nutzlosen Scheiß veranstalten, bis der Abspann läuft und auch der letzte Spieler mit optimistischem Weltbild resigniert das Gamepad in die Ecke pfeffert. Das war schon immer so, aber bei GTA V und Trevor läuft die Geschichte noch ein wenig anders: Denn Trevor überschreitet so ungefähr jede Grenze der Menschlichkeit und auch wenn man nicht alle Verbrechen und Geschmacklosigkeiten selber spielen muss, fehlt doch unangenehm auffallend ein Sinn, der dahinter steckt. Falls das zum Konzept gehören soll, bitte schön, aber das wäre dann ein kaum zu überbietendes Armutszeugnis für Rockstar. Ein Spec Ops: The Line etwa war groß darin, dem Spieler auf seinem menschenverachtenden Pfad den Spiegel vorzuhalten. GTA V macht das nicht nur nicht, sondern versucht es nicht einmal.
Vielleicht liegt das an einer arg ambivalenten Beziehung der Autoren zu all ihren so genannten Helden. Das Muster ist ja unschwer zu erkennen: Der Mythos der USA als El Dorado für Einwanderer und Land der Tellerwäscher, die mal schnell Millionäre werden, wird ein um das andere Mal durchaus eindrucksvoll in der Luft zerrissen. Nur gibt es keinen Grund für diese kalte Distanz zu den Protagonisten. Schaut man auf meinen persönlichen Open World-Favoriten, das gute alte Saints Row, fällt auf, mit welch großer Liebe und Inbrunst die Gang kreiert und ausgestattet wird. Ein ganz zentrales Thema, die Loyalität zu Freunden, teilen GTA V und Saints Row 4. In GTA V sehen wir Lug und Trug, Aggressionen, Gewalt und Verrat zwischen so genannten Kumpanen. In manchen Passagen, wie etwa an Michaels Grab, ergeben sich interessante Momente, aber trotzdem gefällt mir der Saints Row 4-Weg eindeutig besser, wenn um Freunde und Freundschaften gekämpft wird, anstatt sich abseits davon zu bekämpfen. Saints Row 4 spielte ich mit allen DLC auch gerne wegen der Charaktere, GTA V spiele ich eher trotz der Charaktere und hier insbesondere trotz Trevor.

Zurück zu Trevor himself. Michael vergleicht ihn mehrmals mit dem Teufel höchstpersönlich, was natürlich absoluter Unsinn ist. Bei Trevor geht es um fehlende Empathie und ungenügendem Umgang mit Aggressionen bei maximaler Gewaltbereitschaft. Wie es unter diesen Voraussetzungen glaubhaft sein soll, ihm eine pseudo-weiche Seite anzudichten, wissen nur die Autoren. Oder eben nicht. Für den kleinen Lacher zwischendurch ist es ja ganz nett, wenn Trevor sich wegen Patricia, der entführten 60-jährigen Hausfrau, die Augen ausheult, als er sie zurück zu ihrem kaum minder durchgeknallten Ehemann bringt. Aber eine Tiefe gibt ihm dieser Auftritt nicht. Zudem singt Trevor gerne laut das Lied der Freundschaft und bei all dem Mist, den er veranstaltet, kann man sich nur wundern, warum er nicht schon Jahre zuvor versuchte, den alten von Michael verratenden Kompagnon Brad aus dem Knast zu befreien. Dieses Thema wird in GTA V leider nicht dann akut, wenn es Sinn macht, sondern dann, wenn es in den Storybogen passt, was schade ist. So wirkt Trevor als Persönlichkeit irgendwie hingerotzt und wenn Rockstar schon meint, einen gewissenlosen Psychopathen an die vorderste Front zu stellen, sollten sie ihn wenigstens authentisch konstruieren. Und authentisch meint hier nicht, ihm dem Angesicht seines Sprechers gleich zu entwerfen.

Es wundert nicht wirklich, dass Franklin von den drei GTA V-Hauptfiguren der gelungenste ist. Er unterscheidet sich als Typ nur wenig von Nico Bellic & Konsorten. Nur ist er schwarz und kommt aus der Hood, ist nicht ganz so bescheuert wie seine Sidekicks, aber spätestens auf dem zweiten Blick der derbste Psychopath, weil er nicht mit einem IQ von 70 zum Massenmörder wird, sondern über der magischen 100 liegen sollte. Bei einer der Autoklau-Missionen bekennt sich Franklin zu seiner so genannten Unreife, was natürlich vor dem Hintergrund seiner Geschichte als Massenmörder eine niedliche Problembeschreibung ist. Aber so sieht man das halt bei Rockstar. Michael dagegen, zu Anfang gar nicht mal uninteressant konzipiert, läuft den Autoren später aus dem Ruder. So ungefähr ab dem Zeitpunkt, als er Kontakt zum Filmstudio bekommt. Und umso schwächer und konturloser die Truppe wird, desto stärker wird der kaputteste der drei auffällig und damit landen wir wieder bei Trevor. Immerhin, dass muss man GTA V lassen, stehen seine Nebentätigkeiten auf dem Open World-Spielplatz nicht in ganz so starken Kontrast zur Persönlichkeit. Jagen haut hin und die hakeligen Aufgaben mit dem Flugzeug und dem Dragster-artigen Auto ebenso. Warum man mit Michael Yoga machen sollte oder mit Franklin Triathlon, erschließt sich mir nicht.

Dabei sollten eigentlich Los Santos und die Story der Star sein. Nur leider wurde die auf der PS 4 wirklich fantastisch aussehende Spielwiese Los Santos so unnötig wie übertrieben mit generischen und sinnlosen Nebenaufgaben vollgepropft. Und keine noch so gute Story der Welt kann sich entfalten, wenn die Charaktere nicht stimmig sind und der Spannungsbogen durch viel zu lange und sich wiederholende Missionen unterbrochen wird. Vom Rockstar-eigenen Zynismus fange ich jetzt nicht noch einmal an, aber das wird mit Fortgang des Spiels eher schlimmer als besser. Daher ist GTA V für mich dann am stärksten, wenn man es als Walking Simulator genießt, abseits der Story ein wenig umhercruist und losgelöst von den Charakteren (wobei ich Trevor komplett ignoriere) ein paar Nebenaufgaben löst. So nähert sich zwar GTA V spielerisch gefährlich dem Goat Simulator, aber das ist besser als nichts.
13 Comments
Anonymous
Son bullshit.
Deksta1000
Meine Güte…was stimmt eigentlich nicht mit euren Autoren/Redakteuren…kopfschüttel
Jens
There´s only one Autor und der liebt diese inhaltlich sauber argumentierten Kommentare von Deksta1000 und schaltet sie mit einem Lächeln gerne frei!
Poly
Eurogamers Rich Stanton hat heute auch einen interessanten Artikel zur GTA-Serie veröffentlicht, der mir ebenfalls aus der Seele spricht: http://www.eurogamer.net/articles/2014-12-13-rich-stanton-on-gtas-growing-pains
Jens
Danke für den Tipp!
PJ
Ich kann mich da eigentlich nur meinem Vorredner anschließen: Niemand kauft GTA wegen der Story oder wegen der (Spieler-)Charaktere. Insofern hat Rockstar m.E. in den letzten Spielen (seit GTA IV) schon viel zu viel in diese Komponenten investiert und mir genau dadurch den Spaß verdorben.
Ich möchte in GTA MICH spielen (bzw. mein anarchistisches Ebenbild ^^) und eben nicht Nico Bellic, Trevor Philips, Michael De Santa oder wen auch immer.
Volition/Deep Silver haben genau das in Saints Row erheblich cleverer gelöst und genau deshalb (und natürlich wegen Kinzie ^^) spiele ich Saints Row 3 & 4 noch immer, während GTA IV längst verkauft ist und GTA V einen Abnehmer sucht …
Jens
Ja bin ich denn Niemand? 😉 Ich habe GTA V auch wegen der Charaktere und Story gekauft. Sie auf drei spielbare Charaktere aufzuteilen, ist ja eigentlich eine super Idee und bevor es sich ein wenig abnutzg (in den langen Story-Missionen) auch gar nicht mal so übel gelungen, finde ich. Das fand ich schon wichtig!
Aber jeder spielt halt so wie er/sie es für richtig hält. Mit Blick auf deinen Kommentar: Bei GTA Online spiele ich MICH, sozusagen, auch wenn mein Avatar mir weder ähnelt noch mit viel Liebe gestaltet wurde (ich habe das so hingerotzt, irgendwie). Da kann ich mich von der Story und Trevor, Franklin und Michael lösen, vorher gelingt es halt nur in den Nebenmissionen.
Über Saints Row The Third und 4 würde ich Arien verfassen, wenn ich das denn könnte. Da habe ich zwar nie das Gefühl MICH zu spielen, aber ich kann da nicht anders als jeder Person und der Story mit größter Sympathie zu begegnen. Da passt halt alles!
Frage: Aha, Kinzie ist der Favorit. Wegen ihrer gelassenen Art, sehr wahrscheinlich? 😉 Und die junge Shaundi wäre nix für dich? 😉
PJ
War natürlich nur meine persönliche Meinung ohne jede Wertung oder alleinigen Gültigkeitsanspruch. Wie Du schon sagtest: Jeder so und mit wem er mag. 😉
Zur Shaundi/Kinzie-Frage: Naja, ich habs nicht so mit Drogen - von Bier, Kaffee, Gummibärchen und Heavy Metal mal abgesehen. 🙂 Frauen dagegen, die mit Computern UND Waffen umgehen können, finde ich einfach unwiderstehlich. Das weckt den Cyperpunk in mir. 🙂
P.S.: Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich GTA Online noch gar nicht ausprobiert habe. Onlinegaming ist irgendwie nicht so meine Welt. Mein Bedürfnis, mit Hinz und Kunz (und dem kleinen Timmy) zu zocken, hält sich in sehr überschaubaren Grenzen …
Jens
Kinzie ist super! Die von dir erwähnte Kombi noch mit dieser leicht reizbaren Ader hat was! Bei der jungen und „alten“ Shaundi macht es der Kontrat. Auf so einen Unsinn mit den beiden muss man erst mal kommen!
Zu GTA Online: Abgesehen von einer Runde DayZ hier und da habe ich es auch nur punktuell mit Online-Games. Vielleicht ändert sich das mit Elite Dangerous. GTA Online hat daher einen Reiz, weil es den Onlinepart sauber mit (anonymen) Koop und Wettbewerben auf der einen Seite und Singleplayer-Elementen auf der anderen verbindet. Man muss sich (zum Glück) mit niemandem unterhalten (aber leider den anderen zuhören, da habe ich das Stummschalten noch nicht gerafft). Es hat was von Payday 2, da muss man auch nicht auf Gemeinschaft und dicke Freunde machen. Man zieht sein Ding durch, rüpelt ein wenig rum und dann und wann hetzt einen die Meute (oder man selbst spielt den Killer). Kommt drauf an, wer online ist.
SirRageALot
Naja…
Ich habe jetzt (tut mir furchtbar leid das sagen zu müssen) GTA noch nie wegen den Charakteren oder einer tiefgründigen Geschichte gespielt.
Für mich war es immer nur das größte, besste, lebendigste Modern Urban Open World-Spiel und die Zwischensequenzen haben für mich hauptsächlich den Kontext unterstrichen.
Zwar habe ich den neusten Teil der Reihe noch nicht gespielt (ich warte auf die PC Version), aber ich gehe davon aus, dass ich auch darin wieder nur ich selbst sein werde, egal in welcher Polygonhaut ich stecke.
Für andere Leute ist das mit Sicherheit was anderes, wie du hier ja sehr gut wie ich finde erläutert wird.
Jens
Du machst das richtig. Wahrscheinlich kann man sich am besten von dem ganzen Drumherum frei machen, wenn man die Charaktere von Beginn an gar nicht ernst nimmt. Mir gelingt das nur bei den Nebenquests.
Bei der PC-Version bin ich gespannt, wie die Qualität des Ports ausfällt. Bei GTA IV war das noch nicht der Hammer (zum Release). Aber…auf der PS4 ist Los Santos als lebendige schon faszinierend gut gelungen und eigentlich sollte Rockstar auf dem PC noch einen drauflegen können. Dann solltest du so richtig auf deine Kosten kommen!
Poly
Das beschreibt recht gut, warum ich Rockstar und insbesondere die GTA-Serie nicht mag.
PS: Schön, dass du mal wieder Zeit zum Bloggen gefunden hast 😉
Jens
Du bist ein guter Mensch! 😉 Bei Red Dead Redemption zeigte Rockstar ja, dass sie besser sein können als bei GTA…schade, dass sie dieses Niveau nicht halten konnten!