Irgendwann fing bei Mobile Games die Geschichte mit der Sucht als Qualitätsmerkmal an. Kaum eine Rezension zu einem der gefühlten 100 Angry Birds-Spiele kommt ohne den Verweis auf das supidupi-Suchtpotential aus. Mich stört das ein wenig, denn eine Sucht ist keine gute Sache. Eigentlich. Manchmal aber doch, sofern man ein „Nicht aufhören können“ der Familie der Süchte zuordnen mag. Core-Gamer kennen die Situationen – sei es beispielsweise bei Civilization, XCOM, DayZ oder dem Football Manager, bei denen immer noch eine Partie, eine Runde oder noch ein halbes Stündchen mehr drin ist. Der Unterschied zu Mobile Games: Es geht immer um ein Großes Ganzes, das fernab vom Casual-Kram entwickelt wurde. Die Trials-Serie macht es sich punktgenau an der Grenze zwischen Casual- und Core-Game gemütlich. Mit kleinen Häppchen, die den Puls hochtreiben wie sonst kein Spiel, arbeiten wir uns in der breit angelegten Karriere langsam aber sicher nach vorne. Trials Fusion ist Casual und Core zugleich und immer noch innovativ, obwohl die Unterschiede zu den hervorragende Vorgängern, insbesondere sei da Trials Evolution genannt, nur mit der Lupe zu finden sind. Abgesehen vom Setting verhält sich Trials Fusion nahezu identisch zu seinen Ahnen und kratzt deswegen nur am Casual-Core-Thron, anstatt ihn handstreichartig einzunehmen. Aber man sieht: Die wunderbare Trials-Formel funktioniert (also noch einmal).

RedLynx, einem Ubisoft-eigenen Studio, kann man es auch kaum verdenken, dass sie bei der bewährten Formel aus Arcade-Racer und Plattformer bleiben. Zudem verfügen sie über ein bewundernswertes Händchen für ein Adrenalin treibendes und schick anzusehendes Leveldesign. Auch beim Balancing gibt es wenig zu meckern. Trials Fusion beginnt schnell und vergleichsweise simpel. Es entwickelt sich dann zunehmend in den späteren Leveln zu einem hochgradig anspruchsvollen Plattformer, bei dem die Physik weitaus relevanter als der reine Speed wird. Angereichert wird Trials Fusion noch mit einem Quad (unspektakulär, aber nett), einigen Tricks, Easter Eggs und Herausforderungen. Genug Material also, um unzählige Stunden zu investieren, sofern man nicht bei den späteren, bockschweren Kursen die Geduld verliert.

Lichteffekte kann RedLynx auch. Hier einer der frühen Kurse aus Trials Fusion.
Lichteffekte kann RedLynx auch. Hier einer der frühen Kurse aus Trials Fusion.

Wer noch keine Erfahrung mit Trials sammelte, wird die Trainingsprogramme vor den Levelabschnitten zu schätzen wissen. Spätestens wenn die Sprünge mehr und mehr den Kletterpassagen weichen, kommt die Technik ebenso ins Spiel wie ein gewisses Feingefühl am Gamepad. Wer zuvor nur rumholzte, wird nun sein blaues Wunder erleben. Und wer bei den Tutorials brav aufpasste und die erlernten Moves auch wirklich einsetzte, wird in der Phase ab Fähigkeiten-Protzerei noch mithalten können im Kampf um Silber und Gold. Der Rest scheitert schon an Bronze.

Trials Fusion: Balancing mit Ohrfeigen-Faktor

Die Kurse auf dem Schwierigkeitsgrad „Einfach“ sind es meistens auch. RedLynx übermalte seine wilderen Level aus Trials Evolution mit einem Neon-FarCry Blood Dragon-Style und lässt die Spieler durch spektakuläre Kurse geradezu fliegen. Diese vertikales Gameplay-Erlebnis macht schon einen großen Teil der Trials-Faszination aus. Aber letztlich kommt es in dieser Phase für den Spieler nur darauf an, möglichst sauber zu landen und das Gaspedal durchzudrücken. Das geht auch bei den ersten Kursen auf „Mittel“ noch so weiter. Und dann, immer noch bei „Mittel“, ändern sich plötzlich die Anforderungen. Schon bei den „Regenwald-Rennen“ müssen wir sorgsamer mit unserem Tempo umgehen und rasen nicht mehr „einfach so“ zu Gold. Die eine oder andere Passage wird knifflig, da muss öfters einmal die Geschwindigkeit zwingend herausgenommen und die Sprünge viel sorgsamer geplant werden. Auf mich wirkte der Anstieg im Schwierigkeitsgrad ruckhafter als im Vorgänger, wobei es dort auf Mittel Ausreißer nach oben, aber auch nach unten gab.

Umso kleiner der Felsvorsprung, desto weniger Spielraum für den Racer.
Umso kleiner der Felsvorsprung, desto weniger Spielraum für den Racer.

Was mich nervte: Die Musik. Aber hallo! Dieser grässliche „Welcome to the future“-Song geht gar nicht. Horror. Der reinste Horror sogar. Und sonst? Gar nicht mal die reinen Trick-Kurse, die ich vor Release noch selbst sehr kritisch sah. Abgesehen von der nicht ganz so sauberen Steuerung sind sie eine schöne Ergänzung und optisch eher die Perlen unter den Kursen. Auch die Herausforderungen sind ok. Zwar kommen sie teilweise recht aufgesetzt daher, aber sie zu ignorieren bringt keine Nachteile. Es sind die Technik-Kurse, die nicht ansatzweise so albern und gleichzeitig herausfordernd sind wie in Trials Evolution. Sie sind sogar völlig überflüssig. Und der in der PS 4-Version fehlende Online-Multiplayer nervt. Lokal ist schön und gut, aber einen ausgewachsenen Trials Fusion Multiplayer PC-exklusiv zu machen, ist nicht wirklich Next Gen. Und auf das rein optische „Crafting“ könnte ich auch verzichten. Mir doch egal, welche Farbe mein Bike hat (so lange es nicht pink ist).

Bis einschließlich Fähigkeiten-Protzerei spielte ich Trials Fusion an einem einzigen Abend durch. Der Rest dahinter nervte dann schon ein wenig, weil diese Level noch Nerven zehrendere Kletterkurse als zuvor sind. Im „Club der Experten“ trennt sich spätestens der Spreu vom Weizen, spätestens hier ist kaum noch was arcadiges an Trials. Am Ende ist es ein Extreme-Plattformer, der vom Anspruch her nahezu konkurrenzlos ist. Ich gebe auch gerne zu, dass der oben kritisierte Suchtfaktor („ach komm, ein Kurs geht noch!“) schon bei Fähigkeiten-Protzerei zwar nicht gegen Null tendierte, aber im Vergleich zu den schönen Regenwald-Kursen ziemlich im Sturzflug war. Und erst gegen Ende fiel mir noch auf, dass der Umfang von Trials Fusion weitaus geringer ist als auf den ersten Blick zu erahnen war. Mag ja sein, dass in den schon angekündigten sechs DLCs noch massiver Content präsentiert wird, aber so ein paar Kurse mehr hätten es schon sein dürfen. Was ebenso fehlt: Der eine große, epische Allrounder-Kurs. Was dagegen nicht fehlt: Die Streckenzentrale, der sperrig klingende Hub für den Editor. Schön, wenn die Community fleißig Kurse baut, auch wenn deren Niveau noch nicht so ganz die RedLynx-Qualität erreicht. Aber wer eben nicht genug von Trials Fusion kriegt und suchtet wie ein Junkie, kann hier sein Methadon kriegen. Wobei ich dann eher empfehlen würde, das Medium zu wechseln. Gibt ja noch andere schöne Spiele.