Und jetzt sind sie fällig, die eierlegenden Wollmilchsäue, die nicht nur mit Trilliarden Dollar in Entwicklung und Marketing zu Diamanten geschliffen wurden (bzw. werden sollten), sondern nun verdienter Maßen mit der Vergabe des GameExperience Award 2013 in der Kategorie Triple AAA klarkommen müssen. Nachdem es in der Kategorie Spocht zwar nur einen Sieger gab, aber bis zu Platz 6 runtergezählt wurde, versuchte ich gleiches als alleinig berechtigtes Wahlvolk nun auch bei den AAA-Titeln, muss aber zugeben, dass es mir mangels Qualitätsmasse recht schwerfiel. Leicht aufgeblasene Allerweltstitel wie Tomb Raider, Dead Space 3, Battlefield 4, Crysis 3 oder auch ein The Last of Us schafften es nicht in die Top 6. Selber schuld! GTA V ist übrigens nicht dabei, weil ich es nicht spielte. So einfach ist das.

Platz 6: Remember Me

Ein problematischer Titel und ein früher Hinweis darauf, dass das 2013 kein Goldener Jahrgang für den Mainstream war. Remember Me ist gameplaytechnisch erst solide-kreativ, dann eine Katastrophe. Der Entwickler DONTNOD wusste offensichtlich nicht so ganz wohin mit seiner künstlerisch wunderbar modellierten Welt eines dystopischen Paris. Erinnerungsmanipulationen, Kletterei-Passagen und Kloppereien geben sich die Hand, kommen aber allesamt nicht flüssig daher, sondern wirken übelst angeklatscht. Remember Me wäre eine brillante Art-Tech-Demo gewesen, als Spiel aber überzeugt es nicht wirklich. Warum dann Platz 6, bitte schön? Weil Remember Me ein Wagnis ist, mutig in Ausrichtung und Stil und den Nebenpreis (außer Konkurrenz) als größte Dorfschönheit im AAA-Land verdient. Geil aussehen und seltsam daherkommen hat schon immer geklappt, irgendwie. Als Zwanzigjähriger hätte es für den Mix den Sieg gegeben, heute eben nur Platz 6. Das nennt man Reife.

Gameplay Remember Me Weil es so schön ist, darf der erste Screenshot von Remember Me sein. Was für ein Art-Design! Über den Rest hüllen wir mal lieber den Mantel des Schweigens.

Platz 5: Bioshock Infinite

Und wieder so ein Blender. Gäbe es nicht die letzte halbe Stunde bei Bioshock Infinite, dann wäre es hinter Remember Me gelandet. Als Shooter in seiner Mechanik unterdurchschnittlich, dabei aber unnötig brutal und redundant in seinen Ballerpassagen, sind es das Art-Design und das Spiel mit Raum, Zeit und Wirklichkeit(en), dass Bioshock Infinite so besonders macht. Zwar schmeckt mir der Begriff Mindfuck nicht so ganz, aber was besseres fällt mir auch nicht ein. Nach dem grandiosen Finale von Bioshock Infinite saß ich mit offenen Mund und großen Augen vor dem Monitor und war noch gebannter von dem, was mir Irrational Games präsentierter als noch ganz zu Beginn, als die ersten Blicke auf diese wunderbare designte Welt in den Wolken fielen. Und zwischen Anfang und Ende? Nix besonderes. Leider.

Platz 4: Company of Heroes 2

Jetzt mal genug von Optik, Stil und Kunst und nun zu einem Spiel, dass durch einen gewissen Anspruch an die grauen Zellen glänzt. Man mag von der Ostfront inklusive Stalingrad als Setting nicht viel halten, aber immerhin kann man Relic Entertainment keine berechtigten Vorwürfe in Richtung Geschichtsverklitterung, Verharmlosung oder leichtfertigen Umgang mit dem Krieg machen. Als Strategiespiel ist Company of Heroes 2 in all seinen vielen Modi keine leichte Kost, aber auch nie frustrierend oder unfair. Der einzige Vorwurf, den ich aus heutiger Sicht dem Spiel mache: Viele der guten Ideen, wie etwas das Lagerfeuer, dass die Soldaten vor dem Erfrieren rettet, wurden in zu wenigen Missionen eingesetzt. Vielmehr wiederholten sich die Kriegsszenarien in städtischer Umgebung, die dann auch noch durch die Bank nach Schema F (erst Mörser, dann Panzer, zu guter Letzt der restliche Trupp) bewältigt werden konnten. Schade, dennoch ist Company of Heroes 2 ein rundes, gelungenes Spiel in schwierigem Umfeld. Vermintes Gelände, wenn man so will.

Platz 3: Assassin´s Creed 4 Black Flag

Aus persönlicher Sicht DIE Überraschung des Jahres. Nicht einen Cent hätte ich nach dem grässlichen Assassin´s Creed 3 auf den Nachfolger dieses furchtbaren Machwerks gegeben (wenn ich es denn dann nicht doch gekauft hätte…). Das Piratenszenario empfand ich als Beweis dafür, dass Ubisoft gar nichts anderes mehr als wahllos zusammengeschusterte Settings einfällt, in die sie das immergleiche Gameplay hineinpressen. Aber: Assassin´s Creed 4 Black Flag macht richtig Freude, ich kann es nicht anders sagen. Neben altbekanntem Klettern, Springen, Meucheln sorgt die fantastische Spielwelt für die großen Aaahs und Oooohs. Die Karibik sieht nicht nur schick aus, sondern erweitert das Gameplay ungemein, indem es Kämpfe an Bord und auf Hoher See völlig stimmig in die Assassinen-Welt integriert. Mein Schiff wuchs mir sogar ans Herz, albern, aber wahr. Ubisoft scheint nun den Dreh raus zu haben, es haperte nur an der bekloppten Story, aber, hey, die ist bei Assassin´s Creed nun wirklich Nebensache. Assassin´s Creed 4 Black Flag ist tatsächlich der beste Teil des Franchises - und das muss ein Entwickler erst einmal hinkriegen. Respekt, Respekt, Ubisoft!

Assassin’s Creed IV Black Flag 1Stimmiger, als es auf den ersten Blick wirkt. Assassin´s Creed spielt nun nämlich in der Karibik.

Platz 2: Splinter Cell Blacklist

Und direkt noch einmal Ubisoft. Traurig, dass solch ein fantastisches Spiel wie Splinter Cell Blacklist so etwas wie der Geheimtipp unter den AAA-Spielen ist. Keine Ahnung, warum Splinter Cell nicht mehr die Beachtung erhält, dass die Serie und ganz besonders Blacklist verdient, aber ich bin mir sicher, dass sich das mit dem (natürlich undotierten) zweiten Platz bei den GameExperience Award 2013 in der wunderbaren Kategorie Triple AAA ändert (hüstel). Blacklist ist technisch perfekt, einerseits eine Augenweide, anderseits von seinem Leveldesign derart funktional, dass es nur so eine Freude ist. Alles ist möglich in Splinter Cell Blacklist: Wer schleicht, der möge schleichen und lautlos töten, wer krawumms machen mag, kann dies auch tun, allerdings zu einem hohen Preis. Umso geschickter und intelligenter sich der Spieler anstellt, desto intensiver belohnt dies Blacklist mit größter Spielfreude, während Rambos eben schnell eins vor den Latz bekommen. Der Schwierigkeitsgrad ist für ein Mainstream-Spiel vor allem gegen Ende ordentlich knackig ausgefallen, weswegen ich befürchte, dass hier ein Grund zu finden ist, warum Splinter Cell Blacklist untergegangen ist. An der Story kann es nicht liegen, die ist vergleichsweise unauffällig für ein Spiel unter den Tom Clancy-Label.

Splinter Cell BlacklistWas wir hier sehen, ist die Innovation des Jahres im AAA-Bereich. Das spielbare Hauptmenü von Splinter Cell Blacklist. Grandios erdacht, perfekt umgesetzt und nur ein weiterer Baustein eines ganz hervorragenden Spiels.

Platz 1: Saints Row 4

Es kann nur einen Sieger des GameExperience Award 2013 in der Kategorie Triple AAA geben und es ist kein Wunder, dass dieser Pott zu Volition mit seinem fantastischen Saints Row 4 wandert. Ich liebe dieses Spiel. Ich liebe den Humor, das Gameplay, die Spielwelt, die Ironie und den Gehirnschmalz, der hinter der Saints Row-Reihe steht. Für mich ist nicht GTA der intelligent-satirische Blick auf unsere Kultur, sondern Saints Row. In seinem vierten Teil, in dem die Welt in Schutt und Asche liegt, werden die richtigen Werte gefeiert: Freundschaft, Loyalität, Liebe. Volition schafft es, stets mit Haltung zu entwickeln und verdeckt diese nicht mit Humor und Witz, sondern bettet sie ein in eine völlig bekloppte und extrem versaute Story. Dialoge können Volition besser als alle anderen, aber Dildos mit konservativen Grundwerten völlig stimmig zu verbinden, kann ansonsten niemand. Nicht Rockstar mit seinem Zynismus und auch sonst keiner. Zugegeben: Nach den DLCs braucht Saints Row einen Reboot - aber bis hierhin ist es das lässigste, witzigste und klügste Spiel der letzten Jahre. Glückwunsch, Volition, zum 1. Platz beim GameExperience Award 2013!

saints row 4 aDas AAA-Spiel des Jahres. Saints Row 4, das beste Stück Popkultur, dass wir haben. Klingt theatralisch, ist es auch, aber berechtigt.

Man sieht: Ganze drei Spiele fanden nicht nur Gnade in den Augen der zugelassenen Wählerschaft, sondern führten zu großem Beifall. Das ist nicht viel und mag daran liegen, dass eine Konsolengeneration in diesem Jahr langsam starb. Dem Trend nach musste der geneigte Spieler mit vielen, vielen risikoarm entwickelten und sterbenslangweiligen Krachern klarkommen, die in ihrer Urform bahnbrechend waren und nun nur noch hochgradig solide sind, wie etwa Resident Evil 6 oder Dead Space 3. So darf es nicht weitergehen, ich hoffe doch sehr darauf, dass die bestimmende Währung in der Entwicklung der großen Titel die Kreativität sein wird und nicht die Marktforschung mit dem starren und aus meiner Sicht debil-vereinfachten Blick auf ein so genanntes Call of Duty-Publikum. Dieser Weg ist eine Sackgasse, Freunde! Schaut lieber auf das Feuerwerk an Ideen, Witz und Kreativität, dass Volition abfeuerte! Und dann wird es auch was mit dem GameExperience Award in der Kategorie Triple AAA und vielleicht sogar noch zusätzlich in der Kategorie Indie-Kreativ (?)!