Wer war in Heavy Rain eigentlich nicht einsam? Abgesehen von der sonnigen Vater-Söhne-Glückseligkeit im Tutorial gab es für niemanden einen Grund fröhlich und ausgelassen zu sein. Und es gab keine Schulter zum Ausweinen oder einen Partner für ein erleichterndes Gespräch. So, wie sich das Wetter in Heavy Rain von Kapitel zu Kapitel verschlechterte, kämpften alle Protagonisten im Spiel nicht nur mit den dramatischen Geschehnissen rund um die Entführung des kleinen Jungen Shaun Mars, sondern auch mit sich selbst. Und das ganz alleine.

„Es ist mir egal, wo wir wohnen. Hauptsache wir sind zusammen.“, sagt Shaun noch recht zu Beginn von Heavy Rain zu seinem Vater Ethan, der sich in einer Bruchbude – und mit Depressionen kämpfend – versucht um seinen Sohn zu kümmern. Oder es auch nicht versucht, worüber der Gamer letztlich entscheidet. Wer nicht mit dem Lösungsbuch in der Hand Heavy Rain spielte, wird nicht alle Aufgaben des täglichen Lebens, wie etwa rechtzeitig ein Abendessen zuzubereiten, zur Zufriedenheit des Sohnes gelöst haben und an seiner Mimik erst Traurigkeit und dann eine innere Abkehr erkennen. Umso „schlechter“ man Ethan in diesem Kapitel spielt und Shaun´s Bedürfnisse erfüllt, desto einsamer wurden beide. Mehr Isolation als ein emotional verkorkster Vater, der nicht ansatzweise einen Draht zu seinem völlig verstörten kleinen Sohn findet, geht kaum. Mir wurde in diesem Kapitel Angst und Bange.

Quantic Dream inszenierte nicht nur in dem frühen Vater-Sohn-Kapitel sehr eindringlich die (innere) Einsamkeit, sondern setzte sie auch gekonnt als Leitmotiv für Scott Shelby, den späteren Origami-Killer, ein. In einer extrem intensiven, dramatischen und hochgradig traurigen Rückblende erfahren wir mehr über Scott´s Zwillingsbruder Johnny. Während die beiden auf einer Baustelle herumtollen, fällt Johnny in ein offenes Kanalrohr und kann sich nicht befreien, weil sein Fuß feststeckt. Da Scott seinen Bruder nicht alleine aus dem Rohr ziehen kann, läuft er nach Hause um seinen Vater zu holen. Tragischerweise interessiert sich der Vater generell nicht für seine Söhne, sondern war auch noch viel zu aggressiv und betrunken um helfen zu können. Scott kehrt zu Johnny zurück und sagt ihm, dass ihr Vater ihn nicht retten wird. Johnny ertrinkt, während Scott unter Tränen zusieht. Scott erholt sich nie von dieser Tragödie und sucht als Origami-Killer nach einem Vater, der sich für seinen Sohn opfern würde.

Und dieser Vater ist Ethan, wenn man ihn „richtig“ spielt. Mein persönliches Ende von Heavy Rain war wohl eines der tragischsten. Ethan saß auf dem Polizeirevier in U-Haft, die Journalistin war schon tot und als drogensüchtiger FBI-Agent Norman Jayden (auch eine einsame Seele) verbrezelte ich auch noch die Rettung von Shaun. Auch wenn Heavy Rain „nur“ ein Spiel ist, war mein Gefühl nach diesem Ende genau das, was sich durch das ganze Kunstwerk zieht. Einsamkeit.

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