Bevor sich die aktuelle Konsolengeneration in den verdienten Ruhestand verabschiedet, werden neben The Last of Us mit Beyond: Two Souls und Gran Turismo 6 noch drei exklusive Titel veröffentlicht, die so etwas wie das große Finale der altehrwürdigen PlayStation 3 einläuten. Die größten Erwartungen dürften wohl mit The Last of Us von Naughty Dog verbunden sein, das mit der Uncharted-Reihe das beliebteste, kurzweiligste und auch technisch versierteste Franchise auf der PS 3 entwickelte. Mit The Last of Us möchte Naughty Dog nun einen ernsthafteren Weg nach den eher launigen Uncharted-Spielen beschreiten und bei allem, was ich davon hörte, gingen mir gewisse Ähnlichkeiten zu The Walking Dead von Telltale Games (und auch der gleichnamigen TV-Serie) einfach nicht aus dem Kopf. Daher wird es im ersten Teil der The Last of Us-Diary genau um diese beiden Welten gehen, bevor später noch das Gameplay und die Story auseinandergenommen werden. Ach ja: GROßER SPOILERALARM.

Dank ausgiebiger PR und gut orchestrierten Marketings über ein Jahr hinweg schraubte Naughty Dog selbst die Erwartungshaltung in die Höhe. The Last of Us soll ein ernsthaftes Survival-Abenteuer mit Actionelementen und Emotionen sein und technisch mindestens in der guten Gaming-PC-Liga spielen. Wobei die letztere Annahme natürlich Unsinn ist, auch wenn Naughty Dog die PlayStation 3 so gut im Griff wie kein anderer Entwickler hat, können auch sie nicht zaubern und eine alte Kiste in einen High End-PC verwandeln. Letztlich ist die Technik gar nicht so wichtig, wenn die Atmosphäre, das Gameplay und die Story stimmen und in diesem Sinne fängt The Last of Us auch sehr gut an, nämlich mit einem Erkundungs-Heavy Rain-Einstieg. Wir spielen weder mit Joel, der uns weit vor Release als gebrochener Pseudo-Held präsentiert wurde und auch nicht mit dem obligatorischen weiblichen Teenager-Sidekick Ellie, sondern mit Sarah, der Tochter von Joel. Und es wird geredet, dem Vater eine Uhr geschenkt, das Kind vom Vater ins Bett getragen und man ahnt direkt, diese Idylle ist nur von kurzer Dauer, was sich durch einen unheilvollen Anruf von Sarah´s Onkel Tommy bewahrheitet. Ab Minute fünf des recht langen und noch unspielbaren Intros geht The Last of Us dann richtig los und schlägt dabei ein ungewöhnliches Tempo für ein Actionspiel ein.

Es dauert im Spiel rund eine halbe Stunde in The Last of Us, bis wir sehen, was die Infektion aus der Welt gemacht hat. Copyright: Naughty Dog.

Es geht nämlich gemächlich los und dies aus der schon genannten Perspektive von Sarah. Clever, Naughty Dog, denn ein Kind zu spielen, steigert den emotionalen Anteil an dem aufkommenden Unheil. Sarah sucht - mit verschlafenen Trippelschritten - ihren Vater und wir erfahren stückweise mehr über das, was gerade draußen geschieht. Dass Sarah auf dem Klo eine Zeitung findet und wir so das erste Mal mit der Infektion konfrontiert werden, ist vielleicht nicht sehr elegant gelöst, aber eine nette Erinnerung an den damals angeblich versehentlich platzierten „Zeitungsspoiler“ zu The Last of Us in Uncharted 3. Ab hier steigert Naughty Dog langsam die Eskalation, wir hören draußen Polizeisirenen, Schüsse und sterbende TV-Moderatoren in Liveübertragungen - und das alles aus Sarah´s Sicht. Wie gesagt, ruhig inszeniert, aber dennoch intensiv, wenn auch nicht in letzter Konsequenz durchgezogen wie in Among The Sleep, dass den (subjektiv als so wahrgenommenen) Horror aus der Kleinkind-Ego-Perspektive spielbar macht.

The Last of Us: Eskalation wird zwar gezeigt, aber das mit Niveau

Was The Last of Us in diesem Stadium von The Walking Dead unterscheidet: Die Hysterie nach dem Ausbruch wird gezeigt. Bei The Walking Dead steigen wir erst ein, wenn eigentlich schon das Gröbste vorbei ist oder wir davon nichts mitbekommen, weil sich unser Held in einem einsamen Waldstück herumtreibt, um dort später seinen weiblichen Sidekick Clementine kennenzulernen. In The Last Of Us wird uns die Panik und das erste Grauen vom Rücksitz eines Autos präsentiert, in dem Joel, Sarah und Onkel Tommy sitzen und dabei drückt Naughty Dog gar nicht mal so sehr auf das Gaspedal, sondern dosiert hervorragend die aufkeimende Furcht und Ratlosigkeit mit der um sich schlagenden Gewalt. Bei der Flucht gibt es dann aber schon einen ersten The Walking Dead-Moment und zwar dann, als Mitmenschen in Not die Hilfe verweigert werden muss. Jedoch: The Walking Dead nahm den Spieler selbst in die Pflicht bzw. gab ihm diese Illusion und schaffte damit eine große und großartige Nähe zu der kaputten Welt, die in The Last of Us mit einer durch wenige Quick Time-Events aufgelockerten Cut Scene so natürlich nicht herzustellen ist. Aber man weiß nun, wo der Hase in The Last of Us herläuft: Das hier wird kein kleiner Abenteuer-Spaß für zwischendurch.

Notdürftige Ordnung mit einem Militär, das in The Last of Us nur bedingt der Freund des Menschen ist. Copyright: Naughty Dog.

Die letzte Flucht zu Fuß mit der Tochter auf dem Arm ist ein besonderes, knallhartes Erlebnis für sich und baut ein wenig auf einen Clementine-Effekt, denn es geht um ein unschuldiges Mädchen und den Spieler, der es beschützen muss. Sarah´s Ende verläuft dann anders als gedacht und hier erleben wir die erste große Überraschung. Die Welt ist nämlich wirklich im Arsch, wenn die Staatsgewalt in ihrem Furor keine Unterschiede mehr zwischen Schuldigen und Unschuldigen, Mann und Frau sowie Erwachsenen und Kindern macht. Tragisch, tragisch, aber dieser sehr emotionale Einstieg schafft eine große Nähe zum Spiel, sogar vor der Hintergrund der Tatsache, dass wir bis hierhin kaum selbst spielen durften, sondern eher Zuschauer waren. Aber, das muss man Naughty Dog lassen, Geschichten können sie erzählen und das zeigen sie auch in der ersten halben Stunde von The Last of Us. Rein erzählerisch spielt es bis zu diesem Zeitpunkt locker in der Liga von The Walking Dead mit,welches aber nicht nur auf der Kurz-, sondern auch auf der Mittel- und Langstrecke überzeugte.

Summer, 20 Jahre später

Es ist sicherlich nicht einfach, nach so einem intensiven Einstieg in das Spiel selbst zu finden.The Last of Us tut sich schwer damit. Es ist einfach ohne Wenn und Aber eine The Walking Dead-Welt, obwohl mir in den Außenarealen dann doch eher Crysis 3 als Vergleich einfiel, auch wenn The Last of Us technisch nicht annähernd auf dem Niveau der PC-Version von Crysis 3 spielt. Das zivile Leben ist am Boden, die Ordnung wird durch Gewalt hergestellt, es gibt Rebellengruppen und Misstrauen, wo man nur hinschaut. Der größte Feind des Menschen ist nicht der Mutant/Zombie/Infizierte, sondern der Mensch selbst. In dieser Gesellschaft bleibt keiner sauber und schnell erkennen wir, dass weder der sichtlich gealterte Joel noch seine Freundin Tess unschuldige Gutmenschen sind. Bei dem ersten Outdoor-Ausflug bringt uns The Last of Us die Steuerung näher und sorgt dabei für ein Novum: Ein Tutorial zum Thema Leiter aufstellen. Das hätte man auch ohne Hilfe geschafft, aber irgendwas muss ja in frühem Stadium besonders an The Last of Us sein, denn die erste strikt lineare aufgebaute Mission ist absoluter Standard. Es gilt einen bösen Knilch zu finden und böse Fieslinge auszuschalten. Sidekick bleibt Tess, bei der man die ganze Zeit das Gefühl hat, dass sie die Hosen an hat, während Joel seltsam phlegmatisch wirkt. Das passt sehr gut zur Persönlichkeitsentwicklung nach dem tragischen Intro. Wäre schon verwunderlich, wenn Joel ein Sonnenschein gewesen wäre.

Gegen die bösen Sporen hilft nur eine Gasmaske. Copyright: Naughty Dog.

The Last of Us beginnt sich nun zumindest gameplaytechnisch von The Walking Dead abzuheben, nur ist es die Frage, wie gut eigentlich Action zum Spiel passt. Bei The Walking Dead kreiste der Finger öfter vergeblich über der Maustaste, aber anstatt zu handeln musste man reden und reden und reden. Bei The Last of Us wäre zumindest am Anfang weniger Umhergelaufe passender gewesen, aber das ist Jammern auf hohem Niveau. Munitionsknappheit ist Programm (Zitat Tess: „Du musst halt gut zielen.“), die Gasmaske ist Pflicht wenn Sporen zu sehen sind und Medi-Kits zu nutzen ist zeitintensiv. Ansonsten hilft The Last of Us dem Spieler an einigen, vielleicht sogar zu vielen Stellen. Beispiel: Bevor man überhaupt in Gefahr gerät irgendwas wichtiges wie etwa eine Leiter mehr als 30 Sekunden suchen zu müssen, gibt es schon Tipps vom Sidekick. Nicht sehr anspruchsvoll. Was mir bitter aufstößt ist der sogenannte Lauschmodus. Das muss echt nicht sein und passt so gar nicht zum sich als realistisch gebenden The Last of Us. Wenn es schon zehn Sekunden dauert ein Medi-Kit zu nutzen, sollten man auch nicht durch Wände mittels eines Lauschmodus (?!) schauen können. Seit Batman: Arkham Asylum scheint so etwas magisch-unrealistisches Pflicht zu sein in AAA-Titeln und hier passt es genau so wenig wie bei Hitman: Absolution, bei dem sich The Last of Us auch noch an anderer Stelle bedient.

The Last of Us: Mit Lauschmodus, der hilft durch Wände zu schauen

Bei der Ergreifung des fiesen Bösewichts wähnte ich mich in einer Mischung aus Hitman: Absolution und Splinter Cell: Conviction. Es ist möglich, dank des Lauschmodus, sich an die Gegner heranzuschleichen und sie von hinten feige zu meucheln, man kann aber auch die große Schießerei beginnen, bei der der Sidekick übrigens unsterblich zu sein scheint und Elisabeth-Bioshock-like auch gerne mit Munition aushilft. Das ist nicht sonderlich fordernd, dafür aber extrem brutal gelöst, gerade bei den Meucheleien und Prügeleien übertreibt es Naughty Dog für meinen Geschmack unnötiger Weise. Immerhin sind die Schießereien in The Last of Us auf gehobenen Uncharted-Niveau, wenn auch mit den gleichen Schwächen: Das Zielen bleibt verwaschen, die Gegner können ein paar Kopftreffer ohne große Probleme einstecken, dafür sorgt aber der knallharte Sound und das vergleichsweise verlangsamte Tempo wieder für die Intensität, die ansonsten in der Mission mit Tess ein wenig verloren ging.

Überflüssig, unnötig und unlogisch. Der Lauschmodus in The Last of Us. Copyright: Naughty Dog.

Letztlich unterscheidet sich das Ende der ersten richtigen Mission wenig von einem Hitman: Absolution-Einsatz, nur das die taktischen Möglichkeiten sogar noch bei Absolution größer sind als bei The Last of Us. Das überraschte mich. Wenn man nicht schleichen mag, dann ballert man halt und wenn man x-mal daneben schießt, erledigt entweder Sidekick Tess direkt die Gegner oder wirft einem Munition zu. Wie es auch kommt, so ganz einfach ist es nicht die Mission scheitern zu lassen, sofern man sich nicht komplett bescheuert anstellt. Hier hoffe ich, dass es auf dem Schwierigkeitsgrad Normal noch Luft nach oben gibt. Atmosphärisch ging es mit der Action ein wenig bergab, auch wenn das kaltherzig hervorgerufene Ende des Bösewichts interessante Rückschlüsse auf die Abgestumpftheit der beiden Protagonisten offenbarte. Es ist nicht einfach, an dieser Stelle Joel und Tess zu mögen. Nachdem der erste Schuss, den wir abgaben, noch ein Gnadenschuss war, geht es hier ganz anders zur Sache. Auch Ellie lernen wir erst am Ende dieses Kapitels kennen und zwar als Ware bzw. Ladung, die von Joel überbracht werden muss. Von diesem Gespann erwarte ich mir jedenfalls mehr Tiefe und Emotionalität als vom Tess-Joel-Paar, das eher belanglos rüberkam.

Aber das war auch bei The Walking Dead nicht anders. Immer wenn das Traumgespann Lee & Clementine unterwegs war, spielte The Walking Dead seine Stärken richtig aus. Die Kombination aus Beschützer, Retterfunktion und Held in einer zutiefst kaputten Welt wirkte halt am Besten, wenn Clementine ins Geschehen involviert war. Letztlich ging es ja nur um Clementine. Mal schauen, ob The Last of Us auch so weit geht, das Gespann aus gebrochenem Helden und jungen Mädchen ist jedenfalls schon nahe an einer Kopie. Zu hoffen ist nur, dass The Last of Us nicht zu sehr ins Actionlastige abdriftet und sich somit zu nahe am Mainstream bewegt. Auch technisch ist noch Luft nach oben, diverse Pop-Ups und matschige Texturen fielen auch deswegen besonders auf, weil von Naughty Dog eigentlich anderes zu erwarten war. Aber: Stimmt der Rest, ist die Technik beinahe schnurz. Da befindet sich The Last of Us auf einem guten Weg, der jedoch noch kein eigenständiger ist. Aber die Reise hat auch gerade erst begonnen.

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